Sonntag, 17. November 2013

Lueginsland Ausgabe September 1978



Leserbriefe      
An Lueginsland, Hermanstraße 3, 8900 Augsburg

Zu der zweiteiligen Serie „Frauenoffensive - Ruhe vor dem Sturm“ im Lueginsland, Juli und August 1978 erreichten uns einige Briefe.

„Lüginsland“

So einfach ist das also! Da tun sich ein paar Leute zusammen und beschließen, eine Augsburger Alternativzeitung zu machen. Sie schreiben über Kultur, Mu­sik und Literatur . . ., spielen ihre engsten Bekannten zu Augsburger Künstler und Originale hoch, fügen dem Ganzen noch Veranstaltungskalender, Biergartenplan, Kochrezepte und einen Comic (bei des­sen Lektüre dem Leser das Lachen im Halse stecken bleibt) hinzu, kurz und gut, es entsteht eine „echte Konkurrenz“ der etablierten Lokalzeitungen!
Daß dem nicht so ist, beweist der Bericht (?) über die Augsburger Frauenszene „Ruhe vor dem Sturm“ in der letzten Ausgabe vom „Lüginsland“. Da heißt es am Anfang, der Leser soll sich selbst ein Urteil über die Frauenbewegung bildet?. Dies ist jedoch überhaupt nicht möglich, bei dem Durcheinander blickt kein Mensch durch. In lockerem, ketzerischem Bildzeitungsstil wird geplaudert über die Geschichte des Geschlechterkampfs, über Samenfäden und Uterus, das Klagelied der Feministinnen im Frauenzentrum und deren Einstellung zu Männern, Ab­treibungstips der Medizingruppe, Klinik­geburt, die „linke“ Theoriegruppe, Stammtisch und schließlich über die Ge­sprächsgruppen. Von jedem ein bißchen Negatives herausgepickt, um dem Leser zu zeigen: Liebe Frauen, ihr packt das ganz falsch an!

Wer sich davon überzeugen will, daß die­se „Alternativzeitung“ in dem Bericht ihrem Namen alle Ehre macht (Lügins­land), der soll doch einfach mal im Frauenzentrum oder beim Frauenstamm­tisch vorbeischauen. Er (sie) kann sich dort sicher eine ehrlichere Meinung bilden!

Mit unfreundlichen Grüßen

Ulrike Dahm


"Kostbare Zeit gestohlen"

Obwohl hinter dieser Zeitung ein sog. Verein zur Förderung und Wahrung des Augsburger Kulturgutes e. V. steht, unterscheidet sich euer Lueginsland, das ihr ehrlicher doch gleich Lüginsland betiteln solltet, in keinster Weise von Deutsch­lands größter Tageszeitung. „Gam“ ver­urteilt diese wegen Volksverdummung, aber was macht er iri seinem Artikel? Ganz bestimmt kann es ihm nicht um die Information der Leser gehen, denn er arbeitet mit folgenden Mitteln:

1.Widerlicher Zynismus

Wohl nur ein Schmierer kann so witzig über Vergewaltigung schreiben und die Problematik eines Schwangerschaftsab­bruchs auf das „saubere Wegmachen ei­nes Früchtchens“ reduzieren. Nichts ge­gen spritzige Formulierungen, aber sie wirken peinlich, wenn sie die Ignoranz und Gefühllosigkeit des Schreiberlings verbergen sollen.

2.Pauschalierungen

Wie kommt „Garn“ dazu, die Theorie­gruppe, die sich mit Tendenzen inner­halb der Frauenbewegung auseinander­setzt, als scharf links zu bezeichnen? Er hätte gut daran getan, sich vorher über die Grundbegriffe feministischer Theo­rie zu informieren, wenn er schon meint, dem sattsam bekannten Einordnungs­wahn huldigen zu müssen.

3.Unwahrheiten

Es ist übelste Verleumdung und Lüge, daß wir in unserem Theater Hausfrauen als „dumme Gänse“ niedermachen. In diesen Sketches stellten wir Probleme dar, die alle Frauen betreffen. Wohl nur ein aufgeblasener Gockel konnte auf der Bühne eine Gans entdecken.

4.Oberflächlichkeit

Der Versuch, sich durch das Interview mit Chefarzt Freislederer vom Josefi­num den Anschein von ernsthaften Re­cherchen zu geben, gelingt nicht. Hätte „Garn“ nachgefragt, welche Ärzte nachts Dienst tun, hätte er erfahren, daß es sich um Kinderärzte handelt, die keine Damm­schnitte nähen. Ebenso ist allgemein be­kannt, daß abgesehen von 8 Betten auf

der Rooming-In-Station nur „1. Klass“- Patientinnen ihr Kind im Zimmer behal­ten dürfen.

5.Arrogantes Belehren wollen

„Garn“ kam, sah und wußte: was die ge­meinsame Basis der Frauen ist, was der Frauensache gerecht wird, welche Ideen praktikabel sind. So ein kluger Kopf sollte doch nicht bei einem Provinzblätt­chen versauern!

6.Gegeneinanderausspielen

Bedauerlich, daß auch „Garn“ in diese Kerbe schlägt, und wie die AZ eine Feindschaft zwischen uns und dem Frau­enstammtisch konstruiert. Stecken viel­leicht bestimmte Interessen nach dem Motto „Teile und herrsche“ dahinter? Zum Schluß möchten wir diesem „Re­porter“ (hahaha) ein negatives Lob aus­sprechen, daß es ihm durch sein vorgp­heucheltes Interesse gelungen ist, die kbstbare Zeit zweier Feministinnen zu stehlen. Warum er überhaupt mit uns ge­sprochen hat, ist uns ein Rätsel, denn diese Sch . • . ist allein auf seinem Mist gewachsen.

Hochverachtungsvoll

I. V. Frauengruppe A.
Gerda Herko
Inge Mirbeth
Marion Map
Elisabeth Schellnegger
V. Frauenstammtisch


"Geschmiere"

Es wäre nunmehr tatsächlich besser, Eu­re Zeitschrift „Lüginsland“ umzubenen­nen. So ein Ausmaß falscher Recherchen, zynischer Kommentare und totaler Ver­dummungen spottet jeder Kritik. Ihr habt Eure Chance absolut nicht wahrge­nommen, alternativ zur AZ etc. über die Frauenszene zu berichten. Am nächsten Stammtisch werden wir über unsere gemeinsame Reaktion auf solches Geschmie­re beraten!

Ganz unfreundliche Grüße

Elisabeth (Schellnegger? d. Red.)


"Bild-Zeitungs-Jargon"

Ihr Artikel „Frauenoffensive“ las ich, ge­mischt mit einer Portion Wut und Ver­ständnislosigkeit über so wenig Einsicht in eine „Sache“, die in den Augen des Verfassers nur als eine solche dargestellt wird, von der oft an den Haaren herbei­gezogene unsachliche „Problematik“ ganz zu schweigen. — Gesunde Kritik in allen Ehren, aber was man da so alles las, spricht nicht gerade für Ihre Zeitung, die ich sonst ganz prima fand, da sie nicht die Meinung der herkömmlichen 08/15 Presse-Meinung vertritt, sondern zum Denken anregt.

Zum Thema Frauenzentrum wäre zu sa­gen, daß es solche in vielen Großstädten gibt, warum sollte Augsburg eine Aus­nahme bilden. Ferner wird es immer Frau­en verschiedener Weltanschauung und In­teressensgebieten geben, die sich nicht
nur um ihre 3 K’s kümmern (Kochen­-Kinder-Kirche), sondern ihr Leben leben, das nicht in ein Gesamtbild paßt, was man sich unter einer braven Bürgersfrau vorstellt. Sollten diese Frauen ihre Frei­zeitgestaltung im Frauenzentrum suchen und finden, so soll man diese Leute doch gewähren und in Ruhe lassen, anstatt ih­nen alles mögliche und unmögliche anzu­dichten und dies im Bild-Zeitungs-Jargon, das paßt nicht zu Ihrer Zeitung. — Ihr Ar­tikel wird noch aufklärender, wenn man den Text weiterverfolgt. Von der Frauen­gruppe pendelt man weiter zu Frau E. Schellnegger, der Gründerin des Frauen­stammtisches, der einmal im Monat in der Kresslesmühle stattfindet. Der Sinn und Zweck eines Frauenstammtisches kann man sehen wie man will, wahr ist, daß sich dort Frauen zusammenfinden, egal, welchen Alters und Standes, um sich aus ihrer teilweisen Isolation heraus­zuholen, in der sie sich befinden. Daß sich durch das monatliche Zusammen­treffen Leute mit gleichen Interessen fanden (zur Nahahmung empfohlen), daß sich Gruppen von Frauen gebildet haben, außer ihren zitierten Gesprächs­gruppen, die in ein sehr typisches Frau­enbild passen, sei es Kinderbetreuung, Handarbeitsgruppen, Treffen zum Wan­dern usw. ist doch eine lobenswerte Sa­che. Warum so frage ich mich, muß dies alles von Seiten Ihrer Zeitung solch einen negativen Beigeschmack bekommen, so, als wäre Stammtisch nur Männersache, ein Frauenzentrum nur eine Zufluchts­stätte für überspannte Frauen. Ihr Ver­fasser des Artikels könnte sich die Mühe machen, etwas geistig umzudenken, sich vielleicht in die Lage der Frauen hinein­zudenken, die nicht nur mit ihren Kin­dern, sondern oft auch mit ihren Proble­men alleine dastehen, gerade solchen Frauen ist mit einem Frauenstammtisch geholfen, sei es zum gegenseitigen „Aus­quatschen“, oder Kontakte zu knüpfen, die man sonst bestimmt nicht findet.

Der Ruf nach einem Frauenhaus ist derzeit nicht nur ein Problem, das „in“ ist, sondern einfach erforderlich, wenn man die erschreckenden Berichte liest, wo Mißhandlungen, nicht nur der Kinder, sondern auch der Frauen, an der Tages­ordnung stehen. Wo sollen sich diese Frauen sonst hinwenden? Vielleicht macht Ihr Verfasser des Artikels sich einmal die Mühe, auch hinter die Kulis­sen zu blicken, wie es wirklich ist und sich nicht nur die Rosinen aus dem Ku­chen pickt, die ihm nicht schmecken, sondern versucht, sachlich zu bleiben, — dies wünscht sich

Ihre Leserin

Edith Hartz
Steinerne, Furt, 89 Augsburg

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Zum Interview „Ein Stück Gegenten­denz“ im Augustheft

"Wieder Mut"

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mich zunächst einmal herz­lich bedanken, daß Sie „meinem“ Ul­richer Orgelzyklus so viel Interesse ent­gegengebracht haben. Besonders bedan­ken möchte ich mich bei Fräulein Katt­ler (L UEGINSLAND-Mitarbeiterin, d. Red.), die mir in meiner etwas depri­mierten Stimmung doch wieder Mut machte.

Wolfgang Kärner,
Horgauer Straße 8901 Rommelsried

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Zu der Meldung „Konzentrieren“ unter „Neues aus der Kulturlandschaft“ im Augustheft

"Ist es wirklich so schlimm?"

In Ihrem Beitrag „Neues aus der Kultur­landschaft“ des August-Heftes wird un­ter dem Schlagwort „Konzentrieren“ die Ausstellung von Peter Klein in der Kellergalerie wie folgt kommentiert: „Der Kunsterzieher Klein sollte sich lieber auf seinen Unterricht konzentrie­ren! Was da geboten wird, ist schlimm­ste Kolportage“. Dazu meine Frage: Halten Sie das für guten journalistischen Stil? Oder sind wir schon wieder so weit, daß andere zu befinden haben, was der einzelne zu tun hat und was zu lassen? Ich habe Herrn Klein die Ausstellung in der Kellergalerie eingeräumt und habe keinerlei Einwände, wenn seine Ausstel­lung verrissen wird, nur sollte die Kritik sachlich am Objekt bleiben. Mit Ihrer persönlichen Diffamierung tuschen Sie jedenfalls keine neuen Glanzlichter auf die von Ihnen so oft beschworene triste Augsburger Kulturlandschaft. Oder soll­te Ihnen zu sachlicher Kritik vielleicht gar etwa nicht doch — oder so — das nö­tige Rüstzeug fehlen? „Schlimmste Kol­portage“ — ist es wirklich so schlimm? Mit Schnoddrigkeit und knallharten Ha­ken unterhalb der Gürtellinie wird man jedenfalls nicht glaubhafter.

Mit freundlichen Grüßen

(Dr. Rolf Biedermann)

Stadt Augsburg, Kunstsammlungen

 




Jeder echte Motorradfahrer muß mindestens einmal seine Maschine auseinandergenommen haben. Es kann oft gut ein Jahr dauern, bis sie wieder zusammen ist. Doch es nützt dem Kennenlernen von Mensch und Maschine. Geheiratet wird das Motorrad nicht, aber Mädchen werden es schwer haben, dagegen anzukommen.

NEUE LIEBE ZÜALTEN  MOTORRAEDERN

Je älter die Männer werden, desto jünger werden ihre Freundinnen, heißes. Umgedreht trifft diese Lebensweisheit für unsere Geschichte zu: Je jünger die Männer werden, desto älter sind ihre Freundinnen. Freundinnen mit dem Namen Fox, Max, oder Bella. Ihr Gestell ist altmodisch aber begehrt. Die Linie nicht mehr zeitgemäß aber gerade deswegen schön. Im Verbrauch sind sie sparsam, im Gebrauch einfach. Vor zehn Jahren traute sich keiner mehr mit ihnen auf die Straße. Heute werden sie zu wahren Liebhaberpreisen gehandelt. Wer eine hat gibt sie nicht mehr her. Die Rede ist von alten Motorrädern. Immer häufiger tuckern die langhaarigen, ölverschmierten, jungen Old­timerfahrer zwischen den glitzernden Kawasakis, Hondas, und Moto Guzzis umher. Harmlose Karpfen zwischen Haien. Von den Alten, für die das Motorrad noch das Auto war, sind kaum welche übriggeblieben. Sie haben sich in den warmen Fernsehsessel zurückgezogen. Neulich sah man einen Witz: Ein Opa aufrecht auf seinem alten Mo­torrad mit fliegender Lederbändel am Sturzhelm. Im Seitenwagen seine dickvermummte Frau. Er sagt: „Siehst du Omi, ich habs immer gesagt, durchhalten, wir kommen wieder.“


Um Thomas’ Hals hängt die Motorradbrille, seinen weis­sen Nußschalenhelm mit den Lederbändern und dem blau­en NSU-Flügelzeichen vorne drauf hat er unter den Arm seines schwar­zen Lederkittels geklemmt. Helmut sitzt rückwärts auf seiner grünen BMW R 50. Noch einmal scheint die Sonne heiß an einem Sonntag im August ‚78. Wir lut­schen Eis vor dem Eiscafe „Montanara“ beim Kreisverkehr in Friedberg. Thomas erzählt von einem berühmten Kreisver­kehr, der einen so weiten Straßenkreis hat, daß man mit 130 km/h dauernd dar­in fahren kann. Nebenbei bemerkt er wieder einen Vorteil der alten Maschi­nen: „Auf denen kann man noch im Stand sitzen, das halten die neuen Stän­der nicht mehr aus . . .“. Auf der ande­ren Straßenseite tummeln sich junge Mopedfahrer mit ihren Mädchen. Eine schwere rotweiße Moto-Guzzi blubbert in den Kreisverkehr und wieder hinaus. Den Zahnarzt und seine Frau, mit ihrem Veteran, mit dem sie miteinander fahren, haben wir in ihrer Freidberger Garage nicht gefunden. Um die Ecke biegt eine NSU-Max. Er sieht uns, die DKW 125 von Thomas und Helmuts BMW, ver­ringert sein Tempo, schaut, kommt zu­rück als er uns winken sieht. Man kennt sich sowieso, begrüßt sich. Eben war der Max-Fahrer bei einem mit einer Adler, aber der ist nicht da. Ob er noch jeman­den mit einer alten Maschine kennt?

Ja, ein Mädchen mit einer Zündapp wohnt wie er in Wulfertshausen. Wir fahren wieder los. Mehr mit Gelassen­heit als mit dem hektischen Gasgedrehe der neuen PS-Monster-Maschinen gehts die Landstraße entlang Ich sitze auf dem leicht erhöhten Gummischwingsattel von Thomas’ kleiner, fast zierlicher DKW. So sieht man über den Fahrer hinweg, die Straße auf einen zukommen. Beate, das Mädchen mit der „Zündschlapp“, wie der Nachbar aus Wulfertshausen leicht scherzte, ist nicht da. Ihr Vater aber er­innert sich beim Anblick der alten Mo­torräder an seine Weltkriegs-DKW, bei der man alle Schrauben mit einem 14. SchlüssN lösen konnte.
„Wenn man mit dem Motorrad Ferien macht, sieht man die ‚Welt mit anderen Augen an’. Im Auto sitzt man ja immer in einem Abteil, und weil man so daran gewöhnt ist, merkt man nicht, daß al­les, was man durchs Autofenster sieht, auch wieder bloß Fernsehen ist. Man ist passiver Zuschauer, und alles zieht gleichförmig eingerahmt vorüber. Auf dem Motorrad ist der Rahmen weg Man ist mit allem ganz in Fühlung Man ist mitten drin in der Szene, anstatt sie nur zu betrachten, und das Gefühl der Ge­genwärtigkeit ist überwältigend. Der Be­ton, der da fünf zoll unter den Füßen durchwischt, ist echt, derselbe Stoff, auf dem man geht, er ist wirklich da, so un­scharf zwar, daß er sich nicht fixieren läßt, aber man kann jederzeit den Fuß darauf stellen und ihn berühren; man er­lebt alles direkt, nichts ist auch nur ei­nen Augenblick dem unmittelbaren Be­wußtsein entzogen.“ (Robert M. Pirsig in seinem Buch „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“).

Augsburgs Veteranenfahrer ken­nen sich. Es sind nicht so vie­le, vielleicht hundert. Wenn es jetzt auch immer mehr wer­den, die die schrottreifen Zweiräder aus irgendeiner Bauernscheune herausziehen oder Vaters Maschine übernehmen. Mit cli.n Maschinen aus den Fünf­zigern und früher läßt sich Schau machen, die wenig kostet, nicht anstrengt. Vor dem Vergnügen der Schau steht aber harte Arbeit. Ein Jahr und länger hat schon mancher an seinen Veteran hingebaut, bis er wieder gelaufen ist. Oft waren es nur ein paar Schachteln voller Teile, die wieder zum Laufen gebracht wurden. Zuerst muß man aber seine Teile alle zu­sammenhaben. „Man muß dauernd ‚rum­horchen und rumschauen, damit aus ir­gendeiner dunklen Ecke der fehlende Motor herausgebuddelt werden kann. Re­guläre Ersatzteile gibt es nicht mehr. Wer vor zwanzig Jahren schlau war, kaufte die Ersatzteillager der eingegangenen deutschen Motorradfirmen (NSU, DKW, Horex, Adler, Victoria, Ardi) auf und verkauft sie heute teuer. Es gibt Ersatz­teilhändler, die Nomaden gleich durchs Land ziehen, aufkaufen, verkaufen und davon leben. Die Umstände zwingen den Altmaschinen-Freak zum Organisie­ren, Schutteln, Beschaffen, Auftreiben. Man kann nicht in den nächsten Laden marschieren und sein Ersatzteil holen.

Glück hat, wer eine Zweite Maschine des­selben Typs besitzt. Wie ein Metzger kann er dieses Ersatzteillager ausschlach­ten und wie ein Chirurg die eisernen Or­gane transplantieren. Ausbauen, einbau­en, umbauen ist das gern selbstgewählte glückliche Los.

„Seine Lenkstange saß nicht mehr ganz fest. „Da wirst du was unterlegen müs­sen“, sagte ich.

„Und wie geht das?“

„Du brauchst einen schmalen Streifen dünnes Blech. Den legst du einfach un­ter die Klammer da um den Lenker; dadurch wird das Rohr dicker, und die Klammer läßt sich wieder ganz festzie­hen. Man nimmt solche Unterlegstücke bei allen Arten von Maschinen zum

Ausgleichen.

„Aha“, sagte er. See Interesse war geweckt, „Also gut,deld,wo bekomme ich

das Ding!

„Ich hab was hier“, sagte icn und hielt* ihm freestrahlend eine alte Bierdose hin.

Im ersten Moment begriff er nicht. Dann fragte er ungläubig: „Was die Do­se?“

„Klar“, sagte ich, „das beste Unterlegma­terial, das du dir denken kannst.“

(Aus Robert M. Pirsig „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“)

In Tantes Keller, beim Vater in der Garage oder auf dem Dachboden häufen sich die Teile an. Weggeworfen wird eigentlich nichts. Man weiß, man braucht es irgendwann wieder.

Wennschon nicht zum Einbauen in die eigene Maschine, dann zum Tauschen. Jeder Oldtimer Fahrer in Augsburg hat schon mal was von dem „Baron“ gehört, von dem man nicht weiß, ob er Baron ist oder nicht. In sein Wohnzimmer kommt man nur, wenn der ausgebaute Motor hinter der Wohnzimmertüre nachgibt Nur die Couch, auf der er schläft, ist in der Wohnzimmerwerkstatt zuge­lassen. Da gibt es andere, die haben im Schlafzimmer ihre Maschine auf dem Dachboden. Gar eine zweite Garage muß gemietet werden.

"Statt Geld für den Kundendienst, die Reparatur durch einen lieblosen Monteur zu verdienen, da kann ich mich gleich selber ans Motorrad hocken“, denken sie. 

Langsam erobert sich der Benzinschluckende Fahr-Gefährte Raum um Raum. Nicht ungern wird das zugelassen. Warum nicht mit dem zusammenleben, was man mag? Es stört nicht. Es gehört dazu. Die Technik, die Maschine wird freundlich aufgenommen. Es ist nicht der Feind. Es ist der Freund. Man braucht sie. Sie macht nicht abhängig, sie macht unab­hängig. 

Warum werden alte Maschinen gefahren? An erster Stelle werden die finanziellen Gründe genannt: eine alte Maschine bekommt man umsonst oder für ein paar hundert Mark Wer in eine spezielle Veteranenvesicherung eintritt, kommt bei der KFZ-Versiche­rung noch billiger weg als sowieso schon durch die niedrigen PS-Zahlen.

„Du brauchst bloß eine alte Maschine neben eine neue hinstellen, dann weißt Du es“ sagt ein Motorradfahrer. Der Un­befangene weiß nichts, Er spürt nicht das, was der andere beim Anschauen fühlt. Gefühl, das aufkam, als die Maschi­ne bis auf den Rahmen auseinanderge­legt wurde, jede Schraube, jede Mutter, einmal in der Hand gehalten hat. Am Rande der Straße oder spät nachts beim kärglichen Garagenlicht. Man kennt noch genau den Fluch, der den Einbau des Kolben begleitete. 

Von jedem Teil weiß man, wo es sitzt, wo es arbeitet. Erinnerungen sind mit eingebaut wor­den. Ein Kribbeln läuft vom Fußraster aus durch den ganzen Körper, sitzt man auf einer Oldtimer im vollen Tempo. Aufs Tempo allein kommt’s aber nicht an. Ausgefahren wird die Maschine, nicht die Geschwindigkeit. Es gibt keinen Tem­porausch. Die Leute, die gelassen auf ih­ren alten Motorrädern sitzen können sich nicht vorstellen, einfach in den La­den zu gehen und für 10.000,— DM eine Schaumaschine herauszuholen. Das ist ihnen einfach unmoralisch, und doch so schwierig. Das Geld will verdient sein. Es ist auch kein Zufall, daß sich viele Freunde der Einzylinder-Maschinen in der Altstadt ihre Behausung gesucht ha­ben. Kein Hausherr klopft ihnen auf die Finger, wenn sie sich in einem Winkel eine Bretterdachkonstruktion zusam­menbauen, oder ein Hinterzimmer mit Teilen vollstellen, das eigentlich nicht 
gemietet ist. Hier läßt sich arbeiten. Neue Liebe zum alten Motorrad, nur eine Mode?

„Und so fahren wir immer weiter, durch Ukiah, und Hopland, und Cloverdale, hinunter in die Weingegend. Die Zeit vergeht wie im Fluge. — Die Maschine, die uns durch den halben Kontinent ge­tragen hat, brummt munter weiter, wie eh und jeh, nichts anderes achtend als ihre eigenen inneren Kräfte.“ (Aus Ro­bert M Pirsigs „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“ erschien im Fi­scher- Verlag als Taschenbuch Nr. 2020). AL





















Das 325.000 DM Spielzeug

DER DUO-BUS KANN IN AUGSBURG DIE STRASSENBAHN NICHT ABLÖSEN — VIEL DISKUSSION, ABER KEINE ARGUMENTE

Seit ein paar Wochen ist der Augsburger öffentliche Personen-Nahverkehr wieder einmal im Gespräch. Es geht um die Verlängerung der Straßenbahn­linie zum Zentralklinikum. Im Generalverkehrsplan der Stadt Augsburg steht zwar eindeutig, daß die Linie 2 zum Klinikum verlängert werden soll (was der Stadtrat auch so beschlossen hat), da tauchte wie ein Wunder aus heiterem Himmel eine neue Möglichkeit auf: Der sogenannte Duo-Bus.

Die begonnene Debatte um das optimale Verkehrsmittel schien gelöst, ehe sie richtig begonnen hatte. Karten waren schnell verteilt, die beiden Rathausfraktionen zogen sich mit gegensätzlichen Aussagen zum Duo-Bus in ihre Ecken zurück (Leichtle (SPD) „alter Hut“, Sieveking (CSU): „aus­sergewöhnliche Vorteile“). Was eigentlich am nächsten lag, sich nämlich in Esslingen — wo der Duo-Bus als Modell läuft — zu erkundigen, darauf kam keiner, und so gab es eine unsinnige Diskussion mit Argumenten aus der hohlen Hand, die sich bis zu Trarnbahn-verteufelung und Bus-Anhim­melung steigerte. Um diesem politischen Gerangel ein Ende zu bereiten, recherchierte LUEGINSLAND in Esslingen, sprach mit dem dortigen Ver­kehrsbetriebe-Chef (siehe Interview) und kam zu Ergebnissen, die auch den hartgesottensten Scheingefechten die Grundlage entziehen.

Als erstes muß der Begriff geklärt werden. Das Wort Duo-Bus ist insoweit verwirrend, weil es lediglich die Tatsache ausdrückt, daß zwei verschiedene Energie-Quellen in einem Fahrzeug vereinigt sind. Das heißt, daß es meh­rere Duo-Bus-Ausführungen gibt, somit auch unterschiedliche Technolo­gien und Voraussetzungen nötig sind. In unserem Fall muß man vom „Duo­-Batterie-Bus“ sprechen in Unterscheidung zum „Duo-Diesel-Bus“ (Ober­leitungsnetz und Dieselaggregat).

Zum Esslinger Versuch — Nicht zu vergleichen

In Esslingen läuft der Versuch mit dem Duo-Batterie-Bus seit 1974. Esslingen bekam den Modell-Versuch deswegen, weil die Voraussetzungen nahezu ideal sind. Die Stadt hat bereits seit 1943 so­genannte Oberleitungs-Busse (kurz 0- Busse) im Einsatz, die bereits die fahr­draht-technischen Bedingungen des Duo-Batterie-Busses erfüllen. Im Unter­schied zur Straßenbahn, deren Minus- Pol die Schiene ist, muß beim 0-Bus ein zweiter Fahrdraht oben mitlaufen. Insofern ist Esslingen mit Augsburg nicht zu vergleichen, ein Oberleitungs­bus kann unter keinen Umständen an die vorhandenen Straßenbahnnetze angeschlossen werden. Die Kosten für die Erstellung eines zweipoligen Netzes belaufen sich auf rund eine halbe Mil­lion Mark pro Kilometer.

Die Ergebnisse — Batterie schwächstes Glied

Der Duo-Batterie-Bus fährt in Esslingen seit 4 Jahren die Strecke Obereßlingen­Untertürkheim. Auf dieser, ungefähr 20
Kilometer langen Strecke fährt er zur Hälfte im verdrahteten Stromnetz, zur Hälfte auf Batterie. Mehr ist auch nicht drin, da die Batterie spätestens nach 10 Kilometern wieder zum Aufladen ans Netz muß. Wie überhaupt die Batterie das schwächste Glied des Versuchs war. Sie kostet runde 50.000 DM und hält allerhöchstens 1 ¼ Jahre (bei einem Einsatz von täglich 10 Stunden). Da­nach hat sie abgewirtschaftet und es muß eine neue beschafft werden. Die Hersteller-Firma der Batterie,
VARTA, will nun neue Speicher an­stelle der Batterie entwickeln, die Entwicklungsdauer wird aber mit ca. 10 Jahren angegeben. Ein serien­reifes Fahrzeug kann also erst
1988 angeboten werden.

Der 2. Esslinger Versuch — über­haupt nicht an ein endgültiges Ver­suchsergebnis zu denken

Die vier Herstellerfirmen Daimler (Ka­rosserie), Bosch (Stromumwandler), VARTA (Batterie) und Dornier (Stromabnehmer) haben bereits vor ein paar Monaten 5 moderne Proto­typen in Esslingen vorgestellt. Statt der bis jetzt 12 Meter langen Ausfüh­rung wurden Gelenkbusse gebaut. Zwei davon wieder in der herkömm­lichen Duo-Batterie-Ausführung, 3 weitere jedoch in der Duo-Diesel­Ausführung (also wahlweise Ober­leitung/Diesel). Ab Frühjahr 1979 sollen diese ein Jahr lang in Esslingen getestet werden. Wie Stadtwerkechef Karl Sahm (58) uns versicherte ist
vor 1981 überhaupt nicht an ein endgültiges Versuchsergebnis zu denken (siehe auch Interview). Ne­benbei bemerkt: in Augsburg soll 1981 die Linie zum Klinikum be­reits fertig sein!

Die Kosten — chancenlos teuer

Der Duo-Batterie-Bus kostet bei einer Herstellung von 100 Stück im Jahr 325.000 DM. Vergleicht man ihn mit dem Oberleitungsbus herkömmlicher Bauart (280.000 DM) unici dem normalen Die­sel-Bus (180.000 D-M), so ist er immer noch unverhältnismäßig teurer, als die herkömmlichen Systeme, wobei dazu­kommt, daß diese Preise nur für die kur­ze, 12 m-lange Ausführung gelten.

Bei den Treibstoff-Kosten liegt der Duo­Batterie-Bus mit 24 Pfennig pro Kilome­ter gegenüber dem Diesel mit 9,5 Pfen­nig/km chancenlos teuer, da die Diesel- Busse durch die sogenannte Mineralöl­steuer-Rückvergütung mit 41,15 Pfen­nig/Liter begünstigt wird. Beim Duo­Batterie-Bus ist’s gerade umgekehrt. Hier müssen 4% der Stromkosten als Aus­gleichsabgabe (Kohlepfennig) zurücker­stattet werden. Wollte man sich jetzt voreilig auf den Diesel-Bus festlegen wollen, so wäre diese Entscheidung mit Sicherheit falsch, denn „die Mineralöl- firmen selbst schätzen, daß die fossilen Brennstoffe in frühestens 20, spätestens jedoch 80 Jahren erschöpft sein wer­den“ (Sahm). Und wie Sahm weiter aus­führte „man sollte sich deswegen von politischer Seite rechtzeitig nach Maß­nahmen zur weiteren Förderung der elektrischen Nahverkehrsbetriebe um­sehen“.

Noch ein Wort zu den Kosten: Ein wichtiges Kriterium sind die Betriebs­kosten (Treibstoffkosten, Schmierstof­fe, Reifenverschleiß, Instandhaltung und Wartung, Haftpflicht). Um auch hier allen vorschnellen Entscheidungen ent­gegenzuwirken (der Autor will den Le­ser nicht mit Zahlen erschlagen), seien auch diese noch genannt. Spitzenreiter ist wieder der Diesel-Bus mit 55 Pfennig pro Kilometer, gefolgt vom Duo-Diesel mit 60 Pfennig/km, der Duo-Batterie­Bus weit abgeschlagen mit fast doppelt so viel, nämlich 1,13 DM.

Die Möglichkeit für Augsburg — Noch in den Kinderschuhen

Wie schon erwähnt, ist es im Hinblick auf die Endlichkeit der Ölreserven un­sinnig, langfristig auf den Diesel-Bus zu setzen. Des weiteren ist es müßig, vor Ablauf des Versuchs in Esslingen auf den Duo-Batterie-Bus zu schielen. Geht man davon aus, daß Esslingen ideale Bedin­gungen für den Duo-Batterie-Bus hat, Augsburg jedoch die denkbar schlechte­sten (keine geeigneten Fahrdrähte, kei­ne Trassen, Betriebsgebäude), so wird die Diskussion bald wieder dort gelandet sein, wo sie hingehört und zwar bei den Augsburger Nahverkehrs-Verhältnissen. Die Alternative kann nicht Duo-Batterie­Bus oder Straßenbahn heißen, sondern konsequente Weiterführung vorhandener Möglichkeiten. Der Generalverkehrsplan
bindet die Verkehrsbetriebe an die Schie­ne, die Entwicklung des Duo-Busses ist noch in den Kinderschuhen, es ist weit und breit kein Grund zu sehen, die Straßenbahn zu verschrotten.

Öfter mal was Neues!

In einem längeren Gespräch mit einem Redakteur der „Esslinger Zeitung“ hatte LUEGINSLAND die Gelegenheit, sich Einblick in die Steuerung von Meinungen durch die Verkehrsbetriebe zu verschaf­fen. Die Straßenbahn wurde in Eßlingen 1943 mit dem Argument ausrangiert,
daß alles veraltet und verrottet sei, die Straßenbahn keine Zukunft habe. Dar­aufhin wurde das Oberleitungs-Bus-Sy­stem als moderne Technologie einge­führt und bewährte sich auch glänzend. Was passierte, als der Duo-Bus ins Ge­spräch kam? 

Plötzlich war der 0-Bus nicht mehr zeitgemäß, die Verwaltung argumentierte, daß keine neuen 0-Busse mehr gebaut würden, es erhärtete sich der Verdacht, daß man die 0-Busse — mit Blick auf ein neues System — absichtlich verrotten ließ. Der Redakteur: „Alles in Esslingen stiert auf die Entwicklung von Duo-Bussen, für die Entwicklung von Oberleitungsbussen interessiert sich niemand“. Der Leser mag selbst ent­scheiden, ob vielleicht hier Esslinger Ver­hältnisse u. U. auf Augsburg übertragbar sind. 

Die Kommunalpolitiker muß man jedoch angesichts des Versuchsstadiums des Duo-Batterie-Busses um etwas mehr Konsequenz bitten: Vor einem halben Jahr beschlossene Maßnahmen nur des­wegen umzuwerfen, weil die Verkehrs­betriebe ein neues Spielzeug wollen, scheint doch etwas kurzsichtig zu sein. Noch einmal muß es gesagt werden: Der Stadtrat entscheidet, und das beinhaltet die Pflicht jedes einzelnen, sich vorher über die Tragweite seiner Entscheidun­gen zu informieren. Informationsmangel fördert die Abhängigkeit gegenüber den Technokraten, mit etwas mehr Wachsam- kein wäre das Wind-Ei „Duo-Bus“ schon längst auf dem Abstellgleis.      Idr






GESPRÄCH DES MONATS
MIT DEM ESSLINGER STADTWERKECHEF KARL SAHM

"Vorher würde ich mich nicht trauen"

LUEGINSLAND: Herr Sahm, in Augsburg soll die Straßen­bahn dem neuentwickelten Duo-Batterie­Bus weichen. Ist es dafür nicht etwas zu früh?

Sahm: Wenn die Diskussion lautet: Duo-Bus oder Straßenbahn, so glaube ich, ist es etwas zu weit gegriffen, es sollten erst die Versuchsergebnisse der 2. Versuchs­reihe abgewartet werden, vorher würde ich mich nicht trauen, zu der Frage Stel­lung zu nehmen, wobei ich bezüglich
der Kostenfrage beinahe etwas gering­schätzig auf die Straßenbahn schaue, weil sie einfach zu teuer ist.

LUEGINSLAND: Die 1. Versuchsreihe mit dem Duo-Bat­terie-Bus ist abgeschlossen?

Sahm: Man kann sie im großen und ganzen als abgeschlossen betrachten, weil die Fahr­zeuge für die 2. Reihe fertig sind, bzw. konstruktiv vorliegen. Man hat in Eß­lingen mit dem Duo-Bus lediglich die technische Konzeption überprüft und ist zu guten Ergebnissen gekommen.

LUEGINSLAND: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Welche Schwächen hat der Duo-Batterie­Bus? Die Batterie soll nicht die stärkste sein ...

Sahm: Da greifen Sie jetzt natürlich gleich ei­nen Punkt heraus, der nicht der stärkste ist, weil die Batterie in diesem Fahrzeug wirklich ein schwaches Element darstellt, insoweit als sie ziemlich teuer ist, auf­wendig und kurzlebig außerdem.

LUEGINSLAND: Ist das in der 2. Serie verbessert worden?

Sahm: Wir weichen aus, indem wir sagen, daß sicherlich in absehbarer Zeit eine bessere Batterie vorliegt, selbst die Batteriefir­men können hierzu noch keinen Zeit­punkt nennen, deshalb haben wir vor­geschlagen, daß nur zwei von den fünf Duo-Bussen in Batterie-Version wollen und die anderen drei in Diesel/0-Bus-Ver­sion. Wir werden diese Technologien er­proben und werden sehen.

LUEGINSLAND: Wann wird in Eßlingen frühestens eine Entscheidung fallen, ob die Duo-Busse die 0-Busse ablösen können?

Sahm: Die Entscheidung kann meines Erachtens nicht vorher, ehe die Versuchsergebnisse der 2. Serie dieser fünf Duo-Busse vorlie­gen, fallen.

LUEGINSLAND: Wann also?

Sahm: Im Frühjahr 1979 wird diese 2. Reihe aufgenommen und ein Jahr wird der Probebetrieb laufengelassen, so daß sich frühestens im Sommer 1980 eine Ent­scheidung anbahnen wird.

LUEGINSLAND: Zum jetzigen Zeitpunkt ist es also zu früh, von einer serienmäßigen Einfüh­rung des Duo-Busses zu reden?

Sahm: Solche Fragen reifen nicht über Nacht.Es ist legal, wenn man sich umsieht und die Erfahrungen andeier Städte zunutze macht und das finde ich völlig richtig.

LUEGINSLAND: In Augsburg wird der Duo-Batterie-Bus schon als nahezu ideales Nahverkehrsmit­tel hochgejubelt .

Sahm: Tatsächlich??

LUEGINSLAND: Obwohl wir keineswegs die guten Vor­aussetzungen wie Sie in Eßlingen haben. Wie würden Sie die Situation in Augs­burg beurteilen, es müßte wohl alles neu aufgebaut werden?

Sahm: Es ist natürlich ein enormer Vorteil, den wir hier haben, da die Infrastruktur schon gegeben ist. Augsburg hat ja die Straßenbahn und ich bin der Ansicht, daß die Straßenbahn da ihre Be‑
rechtigung hat, wo sie mit 10.000 Fahrgästen in der Stunde fährt — aber wo haben Sie das?


STADTNACHRICHTEN

Marckiges Fest

„Ich habe alles nur unscharf gesehen“ behauptete der 1. Vorstand der Bürger­initiative Bismarckviertel gegenüber Lueginsland, befragt nach dem Tumult zum Start des diesjährigen Bismarck- festes zwischen KBW-Flugblattverteiler und der Polizei. Fünf Polizeiautos fuhren auf, um vier Flugblattverteiler weg­zuschaffen.

H.Maier: „Ich habe die Polizei nicht ge­rufen, es war irgendjemand aus dem Vorstand, den ich nicht nennen will, aber ich stehe voll hinter ihm.“ Nach
seiner Auskunft ist es allen Parteien nicht erlaubt, politische Werbung beim Bis­marckfest zu machen.


Nach München

„Für Augsburg in den Landtag“ will Her­mann Knipfer und Albert Schmid (CSU). „Gegen den Münchner Zentralismus der CSU. Für ein starkes Augsburg“ wollen Horst Heinrich und Friedrich Fröhlich von der SPD kämpfen. „Die FDP ist
die einzige Umweltschutzpartei, die be­reits Erfolge vorweisen kann“ meint F.D.P. Stadtrat Dr. J. Bruggey und emp­fiehlt z. B. Anton A. FisCher. Ebenfalls für die F.D.P. will Frau Fahrmbacher­Lutz in das Maximilianeum (Die Kandi­daten der anderen Parteien waren uns bei Redaktionsschluß noch nicht be‑
kannt). Landtagswahl ist am 15. Oktober.


Ein neuer Stein

wird in der ersten Septemberwoche im kreisförmigen Brunnen der Königsplatz- anlagen zu sehen sein. Der pilzförmige Stein (bearbeitet von Steinmetz Han­rieder) aus Weilheimer Tuff kostet
rund 25.000,— DM.


Geholfen

Insgesamt 27 neue Arbeitsplätze wur­den beim Diözesancaritasverband neu geschaffen. Durch Arbeitsbeschaffungs­maßnahmen vierzehn und durch Einglie­derungshilfen dreizehn. Tätig werden die neuen Mitarbeiter besonders im Be­reich der Obdachlosenhilfe, Spätaus­siedler-Lagerdienst und Werkstätten für Behinderte.


Feste, Feste

Musik, Bier, Brotzeit, Bazar, Aktivitä­ten für Kinder und solche die eine wer­den wollen. Das Fest findet bei jedem Wetter statt, weil die findigen Organi­sierer der Kinderstube und Sozialbera­tung in der Äußeren Uferstraße 201 ein
Zelt aufgeschlagen haben. Fest-Zeitpunkt: 16. September, 14 - 20 Uhr.
Im Übergangswohnheim für Spätaussied­ler in der Paul-Reusch-Straße 6 findet am Samstag, dem 2. September, 14.30 Uhr ein Sommerfest statt.


Cafe wird Cafe

Für 6.000 DM kaufte die Firma Dehner das ungeliebte Holzgerüst am Königs­platz auf. Wie der Dehner-Junior-Chef LUEGINSLAND mitteilte, wird das Attrappen-Cafe als wirkliches Cafe in den Schauanlagen der Firma aufgestellt.


Ferienarbeit der Stadträte

Radfahrer sollen weiterhin direkt nach Hochzoll-Süd und zum Kuhsee nach der Sperrung der Oberländer Straße nach der Hochzoller Lechbrücke rechts) fahren können, fordert SPD-Stadtrat König. Weil 800.000 DM, vorgesehen für die Renovierung der alten Hochablaßgast­stätte, die abgerissen wird, übrig sind, will CSU-Stadtrat Gandenheimer die­sen Betrag zur Sanierung der stadteigenen Gastronomie, übertragen lassen. Die Verwaltung soll nach Dr. Bruggey im Zuge der vorbereitenden Baumaß­nahmen für die Hertie Tiefgarage (LUEG1NSLAND berichtete im Juli- Heft ‚78: „Bei Hertie muß man Kunde werden“) die Möglichkeit prüfen, einen Bahnhof-Westausgang zu schaffen.



GESCHÄFTE

Kellerbier vom Mutterfaß schenkte das Bürgerliche Brauhaus in dem zum Biergarten umfunktionierten Brauereihof vom 18. bis 20. August aus. Es handelt sich dabei um ungefiltertes Bier vom Mutterfaß (Fassungsvermö­gen 60 hl) wie es um die Jahrhundert­wende noch getrunken wurde. „Da sind all die guten Sachen noch drin, wie He­fe, Eiweiß und Vitamine“, so Braumei­ster Dr. Solcher auf den gefüllten Maß­krug zeigend. Ob das Bier auf den freien Markt kommt, bleibt abzuwarten, da viele Freunde des beliebten Gerstensafts glauben, daß trü­bes Bier schlecht sei. Den vielen Besu­chern dieses Sommerfests hat nicht nur das Bier, sondern auch der Preis von 3,— DM für eine Maß geschmeckt.


Möbelkiste nennt sich ein neues Möbelgeschäft in der Hermanstraße 11. Das Angebot er­streckt sich vorwiegend auf Abholmö­bel im Kiefernlook. Eröffnung ist am 1.9.1978.


Studieren und Jobben

In einer kostenlosen Informationsbro­schüre erfahren Studenten alles über Jobben im Zusammenhang mit Sozial­versicherung, Lohnsteuer etc. Interes­senten können sich die 4 ½ seitige Schrift bei der Dresdner Bank, Fug­gerstraße abholen.


Umbau

Zuhause müssen die Studenten diesen Monat ihr Bier trinken. Das Studenten­lokal „Thing“ hat nämlich seine schma­len Pforten geschlossen — zwecks Umbau.




LUEGINSLAND-GALERIE

Andrea Gruber

Holzbeine, Clown-Köpfe, schwarze Räu­berhaare, Filzkleider, liegen auf dem Tisch auf dem die Faden-Menschen her­gestellt werden. Andreas eigene Phantasie gestaltet die kleinen Glieder-Puppen so lustig und reizvoll. Äußerst menschliche Züge besitzen die Gesichter der ge­schnitzten und geschraubten Marionet­ten. 

Unmenschlich aber sind die Materi­alien, aus denen sie geschaffen werden: Holz, Styropor, Wolle und Filzreste. Zu Andreas Schöpfungsrepertoire gehören Lederhosen-Seppl, wilde Gestalten, far­bige Clowns. Die netten Heidis, die sie macht, sind wohl ein Zugeständnis an kunstliebende Kleinbürger, ans Volk. Ei­ne naive Art steckt hinter jeder Figur und macht sie zur Volkskunst. Nur durch Kleider oder Farbgestaltung gibt Andrea ihren Gliederpuppen einen eigenen Cha­rakter.

Sie malt rote Bäckchen ins Ge­sicht der „Heide“ oder zerstruwelt die Wollhaare eines düsteren Gesellen. Im Inneren aber sind sich die Marionetten alle gleich. Ihre Knochen sind aus Holz; beweglich aneinandergeschraubt. Leben fließt durch die Fäden in die Marionet­ten. Aufgehängt an den Gliedern, kön­nen sie jetzt laufen, tanzen, springen, gestikulieren. Ob sie Trauer oder Freude zeigen, das liegt in der Hand ihres Be­sitzers.

Schon Andreas Mutter zog von Schule zu Schule, von Kindergarten zu Kinder­garten, um durch ihre Theaterauffüh­rungen mit den selbstgebastelten Pup­pen ihr Können zu zeigen und Kindern und Erwachsenen Freude zu bereiten. Oft war die kleine Andrea dabei und es gefiel ihr so gut, daß sie sich Jahre spä­ter bei der Augsburger Puppenkiste be­warb und nach bestandener Aufnahme­prüfung als Spielerin und Marionetten­bauerin tätig war. Es gefiel ihr nicht. Sie entschied sich, frei zu arbeiten.

Zu Hause in ihrer gemütlichen Dachwohnung. Wein und Zigaretten beflügeln das Gespräch über ihre Arbeit, die sie dann bloß machen will, wenn es ihr Spaß macht ... Und weil sie nicht immer Lust hat, wird das Puppenbauen auch nicht zur Fließbandarbeit. Jede Figur wird an­ders, da jeder Handgriff wieder anders ist.

„Kinder ließen die kleinen Wesen mit ihren Holzfüßchen und wackelnden Köpfchen auf dem Steinpflaster herum- stolpern.“ Das schwarzhaarige Mäd­chen mit der ockerfarbenen Haut erin­nert sich an die Tage bei der Vogelmauer. Hier verkaufte sie zum erstenmal in Augsburg auf der Duld selbstgemachte Holzmenschen am Faden. Man kennt sie aber schon länger als Verkäuferin auf der Straße und dem Markt. Schmuck und Tand bot sie an. Aber keinen selbstge­machten. 

Es wär schön, wenn es doch noch wahr wird: Selbstgemachtes Theater mit selbstgemachten Puppen und selbstge­machten Texten. Ein eigenes Theater wollte sie zusam­men mit ihrer Mutter aufbauen. Das Un­ternehmen scheiterte — wie immer — an den Finanzen. Doch die Idee ist nicht begraben. Sie ruht nur in ihrem Kopf.


Neues aus der Kulturlandschnft

THEATER

Nur noch Und noch ein Verdienst: Ab nächster Saison ist Hans Dieter Lehmann „nur“ noch Gastregisseur bei den Städtischen Bühnen. Gleichzeitig aber startet er in der Kresslesmühle de Eigen-Produktion „die Zofe“ von J. Genet. Für das Stück soll bereits geprobt werden.
Dauerbrenner
Ein Gastspiel für Amnesty International gibt am 7. September, 20.00 Uhr, der Spiel- und Spottverein mit seinem Dauerbrenner „Wir kennen keine Par­teien mehr“. Eintritt: 4,—/6,— DM.

GALERIEN

Hoffnung
Die Schmuckgalerie „Pichler“, Zeug­gasse 13, zeigt noch bis Freitag (1.9.78) „Betel-Geräte“. Die Exponate sind Leih­gaben des Staatlichen Museums für Völ­kerkunde (München). Bei der Vernissage war auch Herr Vierbacher (Kulturrefe­rent der Stadt Augsburg) anwesend, was zu der Hoffnung Anlaß gibt, daß die Stadt sich finanziell beteiligt hat.                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Todestag
Der Todestag des Augsburger Bildhau­ers Fritz Koelle jährte sich am 4. August zum fünfundzwanzigsten Mal. Fleiß und handwerkliches Können kennzeichnen die Plastiken des Künstlers, die im Ro­koko-Festsaal des Schaezlerpalais, wo sie ihr endgültiges Domizil gefunden haben, zu sehen sind.
Also
Noch bis zum 9. September stellt Anton Kraft (ein Künstler Augsburgs — hört, hört!) aus. Vernissage-Text: „Ein ange­nehmer Gegensatz zum hektischen-Ge­schehen unserer Zeit — Kunst in einer Atmosphäre der Ruhe und Entspan­nung“. Also, so denkt man sich das
wohl, gerade das Richtige für Augsburg? Geöffnet ist die Galerie Dienstag bis Freitag 10 — 18 Uhr und am Samstag von 10 — 13 Uhr.
Moder — oder?
Heinz Maier, Vorsitzender des Kunstver­eins Augsburg e. V. (Mitgliederzahl: 350!!), stiftete aus seinem Privatbesitz der Barockgalerie (welche Freude für Herrn Dr. Bushart!) Augsburg ein Land­schaftsbild von Johann König („Verfol­gung der Arethusa“). Auf die „Quell­nymphe“ wartet der Moder — oder?
Rauchender Zettl
Eine „Gemeinschaftsausstellung von Surrealisten“ startete die „Galerie am Rathausplatz. Die Ausstellung dauert noch bis zum 18. September. Die aus­stellenden Surrealisten heißen: Walter Rauch und Erich Zettl. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr; am Samstag bis 14 Uhr.
Sehen
In der Kellergalerie des Schaezler-Palais stellt bis zum 8.10.1978 Lubo Kristek aus. Zu sehen sind Gemälde und Grafi­ken. Die Öffnungszeiten der Galerie sind aus der Tagespresse zu ersehen. Motive
Die Deutsche Barockgalerie zeigt eine Wechselausstellung mit Werken von
Josef Ignaz Hörmann (1775 — 1820). Es handelt sich um Zeichnungen und Aqua­relle mit Motiven von Augsburg und Umgebung.
Jubiläum
Th. Bechteler, Augsburger Bildhauer, stellt am 5. Oktober 1978 Plastiken und Zeichnungen im Holbeinhaus aus. Öffnungszeiten: Siehe Tagespresse.      
22                                                     
Altgedient
Max Rothemund, altgedienter Maler mit der unkünstlichen Gabe, sich treu zu bleiben, stellt in der Treppenhausgalerie des Textilhauses Kröll & Nill noch bis zum 9. Oktober aus. Öffnungszeiten der Galerie sind die Geschäftszeiten.

LITERATUR

Minderheit
Am Mittwoch, 27.9.1978 um 20.00 Uhr liest in der Reihe „Autoren in der Müh­le“ der tschechische Autor Ota Filip aus seinem im S. Fischer-Verlag erschiene­nen Buch „Wallenstein und Lukretia“. Bericht und Rezension des Buches folgt! Es ist das Verdienst der Leitung ‚der Kresslesmühle, daß hier einer Minderheit einmal die Möglichkeit zur Selbstdarstel­lung gegeben wird — und dies gegen jede Tendenz (trotz der 30 Besucher!).
200 Stück
„Schachspiel“ heißt ein Gedichtband von Herbert Kretschmer mit Zeich­nungen von Christine Rupp. Das Bänd­chen, das wir hier nur bekanntmachen wollen, (Rezension folgt!) ist zu bezie­hen durch: Den Autor, 8890 Aichach, Holzgartenstraße 10. Preis: 6,— DM. Studenten: 5,— DM. Die Auflage be­trägt 200 Stück.
Snap-Shoot
„Commune Observer“ nennt sich die Nr. 1, Jhg. 1 der „Zeitung nicht nur für Wohngemeinschaften“. Karin Pohl bittet uns um eine redaktionelle Bespre­chung, der wir gerne in der nächsten
Ausgabe nachkommen. Hier also nur ein „Snap-Shoot“: Angenehm, vom Papier angefangen, sauber gearbeitet, differen­ziert. Anschrift: 8905 Mering, Postfach 1228.

KONZERTE

Meisterklasse
Am 17.9.1978, 20.00 Uhr, spielt Prof. V. Lukas an der Klaisorgel der Evangeli­schen Ulrichskirche. Professor Lukas ist Leiter einer Meisterklasse für Orgel an der Kölner Musikhochschule und Orga­nist des Gürzenich in Köln). Werke: J.S. Bach.C.Ph. Emanuel Bach, Schumann und Mendelssohn.
Orgelsolo
Am 1.10.1978 wird Haydns Orgelsolo- messe mit den Domsingknaben im Augs­burger Hohen Dom aufgeführt. Beginn: Mit dem Gottesdienst um 9.00 Uhr.
Scherben
In der Dominikanergasse 15, dem Römi­schen Museum der Stadt Augsburg, gibt es neue Funde vorgeschichtlicher, rö­merzeitlicher und frühgeschichtlicher Zeit zu sehen. Die Ausstellung, die unter dem Titel „Neue Funde in Augsburg“ noch bis zum 29.10.1978 zu sehen ist, ist täglich von 10-17• Uhr geöffnet (aus­ser Montag!). Wie Dr. Leo Weber, Leiter

des Römischen Museums, meint, kön­nen „durch die gezeigten Neufunde frü­here Ausgrabungen aus der Vor- und Frühgeschichte belebt werden. Beson­ders wichtig sind die Siedlungsfunde der Keltenzeit, womit der keltische Ur­sprung der Augusta Vindelicorum auch archäologisch erwiesen ist. Oberhaupt“ so meint Dr. Weber, „kann die konti­nuierliche Besiedlung somit nachgewie­sen werden.“                                                                     
Gäste
Die „Deutsch-Polnische Gesellschaft Augsburg e. V.“ veranstaltet, wie jedes Jahr, die „Deutsch-Polnische Woche in Augsburg“ (vom 21. — 28.10.1978). Die Gäste aus Polen, die diesmal aus Lublin kommen werden, brauchen noch Unter­bringungsmöglichkeiten. Informationen über Tel.: 572218 oder 63187.
Im Saal
Die Mozartgemeinde Augsburg veran­staltet am 23. September eine Kunst­fahrt. Besichtigt werden mit Kirchen­führungen die Orte Schwabmühlhausen, Waalhaupten, Vilgertshofen und Polling mit Zwischenstationen. Im Bibliothek­saal in Polling findet ein Konzert statt. Abfahrt: Um 14.00 Uhr am Stadt­theater. Anmeldungen bei der Mozart- gemeinde. Telefon: 2 48 77.
Frage
Dr. Wolfram Baer, neuer Leiter des tra­ditionsreichen Stadtarchivs beim Stadt­markt (900 Jahre) bezeichnete als aktuelle Aufgaben des Archivs die „Ver­wertung des bei den städtischen Dienst­stellen angefallenen Archivgutes“ und die „wissenschaftliche, beziehungswei­se historische Forschung“. Frage: Da wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet historische Forschung ist, aber nicht alle historische Forschung wissen­schaftlich ist, müßte es wohl heißen: historisch-wissenschaftlich und histo­risch.

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Kultur-Kommentar

FEIN, ABER KLEIN

Eigentlich haben wir uns nicht vorgenom­men auf Herrn Vierbacher und seinem Kulturreferat herumzuhacken. Aber durch seine Kulturpolitik bietet er sich geradezu wie ein Hackstock zum Drauf- hacken an. Neuester Vorfall: LUEGINS­LAND bittet Herrn Dir. a. D. Maier, den 1. Vorsitzenden des Augsburger Künst­vereins, um die Auskunft, wieviel das Augsburger Kulturreferat zu der Munch­Ausstellung (siehe „Galerien“) dazuge­geben hat. Die Auskunft wird uns nicht gegeben, weil das Kulturreferat befürch­tet, „daß dann jede Galerie um einen Zuschuß“ kommen würde — so Bankdi­rektor a. D. Maier.
Da jammert das Kulturreferat, daß nie jemand an es herantritt, weil ja dann schon längst mehr geschehen wäre in Augsburg — auf der anderen Seite will man aber gar nicht, daß sich jemand meldet und gar um einen Zuschuß bit­tet. Es wird ja nicht verlangt, daß alles und jedes unterstützt werden soll. Schließlich traut man ja dem Kulturre-
ferenten noch zu, daß er Geld für Kul­turprojekte erst dann hergibt, wenn sich dieses Projekt durch Qualität, Einmalig­keit und Besonderheit oder gar als un­bedingt notwendig für Augsburgs Kul­turlandschaft erweist. Ist das Verschwei­gen des Munch-Zuschusses ein Zeichen für die Nichtmöglichkeit Kulturprojekte auf ihre Unterstützungswürdigkeit ein­zuschätzen? Werden so die Kultur­schaffenden gegeneinander ausgespielt, anstatt daß man sie zum Zusammenspiel bringt? Wenn schon mal einer eine Sum­me zugesteckt bekommt, dann bittet man ihn bloß nichts dem anderen zu erzählen. Schließlich soll jeder den Glau­ben daran behalten, daß seine Summe größer/kleiner ist.

Fein steht das Kulturreferat da. Braucht sich nicht für ihr Tun zu rechtfertigen. Es weiß ja niemand, was es getan hat. Fein, aber klein. AL


Wichtig

Für Jazz-Freunde ein ganz wichtiger Tip: Es muß nicht immer Montraux sein: Vom 15. September bis zum 8. Oktober finden in Wangen im Allgäu die 2. Allgäuer Jazz-Tage statt: Mit von der Ratie sind u. a. Art. Blakey’s Jazz Messengers, Eberhard Weber und die Gruppe Colours, die Frederic Rabold Crew. Kontaktadresse: Dr. Wolfram Bücking, Buchweg 14, 7988 Wangen/ Allgäu, Telefon: 07522/4422.

Nonett

Ottobeurer-Konzerte: Am 9. Septem­ber 1978, 20.00 Uhr, spielt im Kaiser­saal das Münchner Nonett Werke von Schubert, W.A. Mozart, Boccherini. Am 10. September, 15.00 Uhr, wird
in der Basilika das „Deutsche Requiem“ von J. Brahms aufgeführt. Ausführende: Edith Mathis (Sopran) und Wolfgang Brendel (Bariton) und das Symphonie­orchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Raffael Kubelik. Wer sich gern im Fernsehen sieht, kann hoffen, aufs Bild zu kommen, denn die Aufführung wird vom Bayerischen Fern­sehen aufgezeichnet.
Unter dem Titel „Jugend musiziert“ fin­den noch zwei Konzerte statt: Am 16.9. um 20.00 Uhr im Kaisersaal, ein Orche­sterkonzert und am 17.9. um 15.30
Uhr ebenfalls. Karten im Vorverkauf gibt es beim Verkehrsamt der Stadt Ot­tobeuren, Marktplatz 14, Tel.:08332/ 1022 und 330.
Landesvater, Ungarn und Debussy
Wie bereits im Augustheft des Luegins­land angekündigt, finden im Monat Sep­tember im Schloß Neuschwanstein unter der Schirmherrschaft des „Landesva­ters“ A. Goppel Schloßkonzerte statt. Am 6.9. umd 20.00 Uhr spielt das Unga­rische Kammerorchester (Budapest) Werke von Csermak, Stamitz, Liszt, Haydn und Mozart. Am 7.9. um 20.00 Uhr einen Klavierabend mit Pi-Hsien Chen (hoffentlich stimmts!). Es werden Werke von Mozart, Chopin, Debussy
und Liszt geboten.

Dasselbe

Am 8.9.1978 um 20.00 Uhr spielt die Pfälzische Philharmonie Werke von Mo­zart und Schubert. Und am 9.9. um 20.00 Uhr schließlich spielt dasselbe En­semble Werke von R. Wagner (was man ja wohl versteht — bei diesem Schloß­herrn!). Kartenvorverkauf: Gemeinde­verwaltung 8959 Schwangau, Telefon: 08362/8511 und Tageskasse.
Riesig
Am 29. Augsut gab’s in Ulm ein riesi­ges Open-Air-Festival u. a. mit Joan Baez und Genesis. Unser Mann vom Dienst in Sachen Pop, Thomas Hammerl, war dabei. 

galerien

SCHCEN ODER HAESSUCH

Über die Schönheit der Bilder Romuald Grond6s
Grondä bot vom 20.7. bis 28.8. in der „Treppenhaus-Galerie“ des Textilhau­ses Kröll & Nil! ein Ensemble von Bil­dern.
Ensemble meint hier die einfache Tat­sache, daß etwas sich in wenigstens ei­nem Punkt ähnlich ist, bzw. daß es, weil es sich ähnelt, von einem identischen Be­wußtsein geprägt ist. Das Identische, das Eine also, ist in der Kunst zuerst das Ma­terial. Bei Grondd handelt es sich, Mate­rial betrachtet und auf einen Teil seiner ästhetischen Objekte bezogen, um Fa­sern, die in ihrer Baumwoll- oder Syn­thetik-Struktur verwebt worden sind. Sie sind der Grund der Objekte. Grund nennt man das, was begründet, ohne selbst seiner Begründung zu bedürfen. Man sieht, wir kommen zur Sache! Die physikalische Welt, die Welt der Dinge, ist, makroästhetisch betrachtet, von dieser begründenden Beschaffenheit.
Der Künstler arbeitet mit den Dingen der Welt und verhält sich unwahrschein­lich.

Im Verhältnis Betrachter-Betrachtetes sind die Dinge Signale. Das jähe Gak­kern der Henne ist ein solches Signal; daß es eine spezifische Information ent­hält, nämlich „Ei“, ist keine Leistung des gackernden Huhnes. Materialästhe­tische Betrachtungsweisen sind danach signalästhetische Betrachtungsweisen (vgl. die Kritik in Heft 7/78 zu den ästhetischen Objekten Alfred Dardas). Eine statistische Qualifikation des Ma­terials ist nicht schön; schön ist bereits eine Bestimmung als Interpretation. Dies ist einsichtig, wenn man bedenkt, daß die landläufige Rede vom Schönen und vom Häßlichen meist ohne Bedeu­tung ist; alles aber, was keine Bedeutung
hat, ist bekanntlich sinnlos. So ist es eben sinnlos, einige der von Grondd verwende­ten Stoffe „schön“ oder „häßlich“ zu nennen. Stoffe sind oder sie sind nicht.

In diesem Fall sind sie.
Auf der anderen Seite läßt einen der Ge‑
danke nicht los, daß es sich hier, drei Etagen hoch, um Objekte mit einer be­stimmten Schönheit handelt. Hier ist es ganz nützlich auf den Zeichenbegriff ein­zugehen, den der amerikanische Theore­tiker Charles W. Morris als Funktion von Struktur (Syntax), Sinn (Semantik) und Kommunikation (Pragmatik) definiert hat. Was ein Zeichen also auszeichnet ist dies, daß es eine Information liefert. Der Begriff des Zeichens steht daher im Ver­hältnis von Betrachter-Betrachtetes für den Betrachter (hier den Kritiker); für den Interpretenten. Das heißt aber auch, daß das Zeichen von anderer Qualität
ist als das Signal: Nämlich eine Bestim­mung unseres Bewußtseins! Eine Inter­pretation also des Gesehenen. Welche Möglichkeiten bieten sich von hier aus für eine Qualifizierung der Bilder Gron­dds als schön?’

Nun gehört es zu den unausrottbaren Fehlleistungen einer ganzen Kunstbe­trachtung, daß man das Schöne als ein Etwas versteht, eine Qualität, eine Es­senz, wie man auch sagen könnte. Wo von dieser Essenz etwas fehlt, da begann das Häßliche. Da allerdings niemand sa­gen konnte, d. h. eine Methode angeben konnte (Proportion, verstanden als „Goldener Schnitt“, ist ein physikalisch- geometrisches Maß, kein ästhetisches!), wie das Schöne zu bestimmen sei, verkam der Begriff zur ideologischen Phrase. Das Hilfsmittel der Dialektik, auf dem der Harmoniegedanke fußt, ist zu vage.
Es kam also die Stunde, wo der Begriff „schön“ in der Schublade mit dem Eti­kett „sinnlos“ versank. Mit der Einfüh­rung des Zeichenbegriffs in der Kunst­theorie unserer Tage wurde diese Schwie­rigkeit überwunden. Denn: Geht man davon aus, daß Kunst im wesentlichen ein Machen ist, also ein Vorgang, und, daß dieser Vorgang näherhin ein Prozeß der Zeichenverteilung und Zeichenaus­wahl ist, dann heißt dies im Falle der Schönheit ästhe­tischer Objekte, daß ihr Mehr oder We­niger an Schönheit, die Freiheitsgrade für Schönheit, wenn man so will, ein statistisches Problem ist. Die Frage der Schönheit hängt also zusammen mit dem Vorkommen oder Nichtvorkommen von Zeichen. Und dieses Vorkommen oder Nichtvorkommen hängt wiederum davon ab, welche Art der Information beansprucht wird. Wird z. B. „blau“ als Information beansprucht, so wird, nach der Auswahl (Selektion) der Mittel (Sig­nal-Bereich), „blau“ zum Zeichen für diese Information „blau“. Es ist klar, daß diese Information „blau“ relativ ist zu allen möglichen Informationen. Und es ist auch klar, daß die Schönheit des Zeichens „blau“ relativ ist zu allen wei­teren Kompositionsmöglichkeiten (Sig­nal-Ebene) bzw. auf der Zeichenebene zu weiteren Informationsmöglichkeiten. Nun wurde bereits eingangs deutlich ge­macht, daß Künstler sich unwahrschein­lich verhalten, im Gegensatz zur Natur, wo alles höchst wahrscheinlich ist.

Das bedeutet aber auch, daß bei einer höchst unwahrscheinlichen Verteilung der Zeichen auch eine höchst unwahr­scheinliche Information vorliegen muß und umgekehrt. „Blau“, um bei unse­rem Beispiel zu bleiben, ist eine höchst wahrscheinliche Information mit einer ebensolchen Verteilung der Zeichen für „blau“; sie ist, genauer gesagt, eine end­liche Information (Entropie); und, als Folgerung, mit einer endlichen Schön­heit.

Wendet man dies methodisch auf die ästhetischen Objekte Grondds an, so be­deutet dies (exemplarisch an drei ästhe­tischen Objekten dargestellt): Beispiel die „Kinderteppiche“: Es handelt sich um eine höchst wahrscheinliche Infor­mation mit einer ebensolchen Schönheit. Beispiel: „Sehnsucht nach dem Him­mel“: Es handelt sich um eine wahr­scheinliche Information mit wahrschein­licher Schönheit.

Beispiel: „Randerscheinung — der rote Faden“: Bei höchst unwahrscheinlicher Information finden wir eine unwahr­scheinliche Schönheit.
Für die meisten anderen Arbeiten Gron­dds gilt, daß er, durch gewisse Theologis­men und Pädagogismen eingeschüchtert, nur zu höchst wahrscheinlichen Objek­ten findet; was natürlich auch ihre Schön­heit mindert. AM


VON DER KUNST, EINEN KÜNSTLER EINER BREITEN OEFFENTLICHKEIT ZUGAENGLICH ZU MACHEN

Ein kritischer Beitrag zur Munch-Aus­stellung in Augsburg
Der Kunstverein Augsburg veranstaltete vorn 18. Mai bis 2. Juli 1978 im Rat­haus (ehemaliger Goldener Saal) eine repräsentative Auswahlausstellung mit Werken des norwegischen Malers Edvard Munch. Finanzielle Mitveranstalter wa­ren das Bayerische Kultusministerium und das Kulturreferat der Stadt Augs­burg. Wie uns der Vorsitzende des Kunstvereins, Heinz Maier, mitteilte, sei so eine Ausstellung der „modernen Klassik“ für Augsburg einmalig. Dies scheint die Augsburger wenig berührt zu haben; in knappen eineinhalb Mona­ten waren es rund 7.500 Besucher. Die
Ausstellung, die wenig später in Graz ge­zeigt wurde, fand dort binnen 14 Tagen bereits 19.000 Besucher. Nach Maiers Angaben, der als ehrenamtlicher Orga­nisator der Ausstellung fungierte und schriftlich bzw. mündlich das Arrange­ment besorgte („die Auswahl der Werke wurde Gott-sei-Dank vom Osloer Munch­Museum vorgenommen“!), bezifferten sich die Kosten auf 30.000 DM. Auf Rückfrage wollte uns Heinz Maier nicht den Betrag nennen, der von Seiten des Kulturreferats als Zuschuß gezahlt wur­de. Begründung: „Nicht üblich“ Aufgrund der genannten, für die Augs­Bürger doch sehr beschämenden Besu­cherzahlen wollen wir die Frage stellen, welche Bemühungen zu einem größeren Publikumserfolg verhelfen hätten kön­nen, und warum gerade im Falle Edvard Munchs (1863 - 1944) solche Anstren­gungen seitens der Veranstalter beson­ders wichtig gewesen wären.
Ziele der Kunst Munchs.

Die Lebensdaten Munchs lassen ihn als Maler unschwer in die Kunstrichtung des Expressionismus einreihen. In dieser Epoche ist Munch, zusammen mit Ja­mes Ensor als der wegweisende Maler anzusehen. Er nahm quasi das schon vorweg, was den Expressionismus spä­ter kennzeichnete.
Vor dem Hintergrund der damals jüngst von Sigmund Freud entdeckten Psycho­analyse stand Munch hier am Anfang ei­ner Richtung, die die Malerei revolutio­nierte. Man brach mit der Konzeption, Kunst als mehr oder weniger genaue Wie­dergabe der Natur zu betrachten, die ei­nen möglichst genußreichen sinnlichen Eindruck vermitteln sollte. Das Betrach­ten der sinnlich wahrnehmbaren Wirk­lichkeit bedeutet im Expressionismus nur einen Durchgang zur seelisch-erfahr­baren, tieferen Urwirklichkeit, die sich
dann im Kunstwerk als innerer Ausdruck, als Erlebnis, und, im Falle Munchs als schwermütiges Empfinden manifestiert. All diese Kunst ist ein Schrei aus dem In­neren. Beklemmende menschliche Urer­fahrungen (z. B. Lebensangst, Verein­samung, Liebe, Krankheit, Tod) wirken in der Darstellung befreiend und erlö­send.

Die für den Expressionismus wichtigen psychologischen Gehalte sind in der Bio­graphie Edvard Munchs vorprogram­miert: Zutiefst neurotisch hatte er seine Kindheit unter wenig vielversprechen­den Umständen verlebt: Seine Mutter starb, als er gerade fünf, seine Schwester als er gerade dreizehn war. Der Vater betrieb als Arzt eine Landpraxis in der verarmten Region von Löiten, wo Munch als Kind die Inhalte seiner späteren Kunstwerke unmittelbar erlebte.

Konsequenzen aus diesen Zielsetzungen Die Abkehr von konkreten, sichtbaren Inhalten äußert sich zwangsweise auch in der Form. Gefühle und Erlebnisse als abstrakte Inhalte können nur durch das malerische Mittel der Abstraktion, wo Farbe und Form eigenkräftig dastehen und symbolhaft die Inhalte tragen, zur Darstellung gelangen. Malerische Form­gebote wie Proportion, Perspektive, Licht und Schatten fallen bei einer der­artigen Auffassung weg.
Von hier aus ist es verständlich, daß Be­sucher einer Ausstellung mit dem „un­normalen“ Äußeren der Exponate we­nig anfangen können. Heute dürfen ab­strakte Bilder zwar ohne weiteres ge­zeigt werden, während Munchs erste Ausstellung in München einen so großen Schock auslöste, daß sie nach wenigen Tagen geschlossen werden mußte. Das bloße Ausstellen trägt jedoch wenig zu einem breiten Kunstverständnis bei. Man müßte sich, auf unsere Ausgangsfrage bezogen, gerade im Falle moderner Künstler bemühen, Hilfen zum Ver­ständnis zu geben.

Neue Möglichkeiten

An den Erkenntnissen der Lern- und Wahrnehmungspsychologie orientiert, versucht seit geraumer Zeit die Museums­pädagogik, die eine Verbindung aus Kunst als Inhalt und der optimalen Art der Ver­mittlung darstellt, möglichst vielen Men­schen geistigen Nutzen aus Kunstwerken zu ermöglichen. Das ausgestellte Werk wird aufbereitet, z. B. durch eine Ord­nung nach bestimmten Gesichtspunkten, das Zeigen von anderen Beispielen neben dem Werk, Beschriftung, wichtige Infor­mationen neben dem Bild selbst, Vorge­ben von Kriterien zu einer möglichen Auswahl, Impulse zum Nachdenken, De­tail- und Ausschnittphotographien und anderes mehr.

Vielleicht kann man die niedrigen Besu­cherzahlen in Augsburg aus dem völligen Mißachten solcher möglichen Wege er­klären. Man beschränkte sich auf eine Tafel mit Munchs Lebensdaten und die übliche Betitelung der Bilder, wobei noch zwei Fehler unterliefen. Es ist un­verzeihlich, ein vom Künstler selbst mit „Der Schrei“ betiteltes Bild in „Das Ge­schrei“ umzubenennen, handelt es sich doch im ersteren Fall um den Ausdruck individueller Angst und Not, im zweiten dagegen um einen Sammelbegriff, den man auch Tieren zuordnen könnte. Der zweite Fehler, die falsche Zuordnung ei­nes Entwurfs zu einem Bild, ist als Ver­wechslung schon eher zu entschuldigen. Ein Museumspädagoge am Ort, bereit, Fragen entgegenzunehmen und Unklar­heiten zu reduzieren, hätte die Attrak­tivität einer solchen Ausstellung eben­falls erhöhen können. In Augsburg be­kam man vom „Personal“ nur Hinweise über Verhaltensverbote, z. B., das Mit­tragen eines Schirms.

Abschließend müssen wir noch einen Vergleich anstellen, der das Vorgehen der Augsburger Veranstalter relativiert. Kann man in Augsburg so hohe neue Möglichkeiten fordern, wenn sie in ganz Bayern, ausgenommen in der benachbar­ten Metropole München in sehr kleinem Maß, nicht zum Tragen kommen? Mu­seumspädagogische Arbeit wird derzeit erfolgreich in Karlsruhe, Berlin, Frank­furt und Köln geleistet, also nicht in Bayern.
Aufgrund des innerbayerischen Ver­gleichs soll das Vorstellen der neuen Mög­lichkeiten aus der Sicht der Verfasserin nicht als harte Attacke gegen Augsburg, sondern als eventuelle Neuorientierung auf dem Ausstellungssektor verstanden werden.
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ATEM ANHALTEN

Im September empfehlen wir im laufen­den Spielplan der Komödie:
Freitag, dem 1., Samstag, dem 2. und Sonntag, dem 3.8.1978:
„Der Richter und sein Henker“ (Farb­film)
„Der Richter und sein Henker“ ist sicher, lich einer der besten Thriller der letzten Zeit ... mit sehr viel Scharfsinn ausge­dacht, von internationalen Stars ausge­zeichnet gespielt ... der Zuschauer hält bis zum Schluß den Atem an mit Jaque­line Bisset, Helmut Qualtinger, Friedrich Dürrematt, Lil Dagover, Regie: Maximi­lian Schell.


SCHOEN UND UNVOLLENDET

Nur Mittwoch, dem 6.9.1978, 20 Uhr: „Schreie und Flüstern“ (Farbfilm) Regie: Ingmar Bergman mit Harriet Anderson, Ingrid Thulin, Liv Ulman, Karl Sylwan.
Der Film ist so schön und vollendet vollkommen, daß man davon Angst be­kommen könnte: ... Gott, der Tod, die Ehe, die Sexualität, Nihilismus, Trauer, Schmerz, Zynismus, Verzweif­lung, Einsamkeit, Glaube, Liebe, Laster, Haß, Ekel, Mitleid — Krebs!
UMS BROT RINGEN
Nur Mittwoch, dem 20.9.1978, 20 Uhr: „Mozart - Aufzeichnungen einer Jugend“ (Farbfilm)
Regie: Klaus Kirschner mit Pavlos Bekiaris, Diego Crocetti, Santiage Zies­mer.
Der Film verdient zu recht den verliehe­nen Bundesfilmpreis und die zunehmen­de Anerkennung der Kritik. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen und mit Hilfe dreier verschiedenartiger Darsteller ist es gelungen, das Leben des jungen Mozart als den Kampf eines Künstlers zu deuten, der trotz verbrieften Genies hart um sein Brot ringen muß.


JENER AETHER

Freitag, dem 22., Samstag, dem 23. und Sonntag, dem 24.8.1978:
„Die Möwe Jonathan“ (Farbfilm) von Hall Bartlett mit Musik von Neil Diamond
Jonathan Livingston Seagull — das ist das Erlösungsfähige in uns selbst, nur gleichnishaft transferiert von der Sphäre irdischer Schwerkraft in den luftigen Stoff, in dem die Träume unmittelbar anschaulich sein können: jener Äther eben, worin die wunderbaren Flieger,
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die Möwen nun einem sind — wer hat ihnen vom Heck eines Schiffes aus denn nicht schon stundenlang zugeschaut? — sich tummeln. So ist denn der Film wie schon der Bestseller des amerikani­schen Flieger-Autors Richard Bach ge­widmet „To the real Jonathan Seagull, who lives within us all“.


BANDE
DES BLUTES

Freitag, dem 29., Samstag, dem 30.0. und Sonntag, dem 1.10.1978:
„Der Pate“ (Farbfilm)
Einer der erfolgreichsten Filme aller Zei­ten. Dies ist die Geschichte des Mafia­chefes Don Vito Corleone, des allmäch­tigen Paten, der nur sein eigenes Gesetz anerkennt. Und es ist die Geschichte all derer, die unter diesem Gesetz stehen, weil sie durch die Bande des Blutes oder der Freundschaft für immer dem Clan angehören und für den Paten jedes Ver­brechen begehen, um dafür seiner ewi­gen Gewogenheit sich zu sein.

Filmpalast 2

Der starke Erfolg des Lichtspiels „Die Spitzenklöpplerin“ hat zur Folge, daß die für August angekündigten Filme: „Flammende Herzen“ von Walter Bock­mayer und Rolf Bührmann, sowie „Ser­vus Bayern“ von Herbert Achternbusch, erst im September zur Aufführung ka­men.

Filmpalast 1

Am 29. September 1978 gibt es in Augs­burg wieder eine Uraufführung. Der Filmpalast bringt in seinem großen Haus (Filmpalast 1):
„Schöner Gigolo, armer Gigolo“ Bemerkenswert an diesem Film-Epos ist, daß Marlene Dietrich nach fast 20 Jah­ren wieder vor einer Filmkamera steht. Zusammen mit dem Münchner Musical- Star Bela Erny drehte die umstrittene Diva unter der Regie Rolf Thieles in Paris.
Es wurde behauptet, einige Mitglieder hätten bei den Dreharbeiten des Films (9,1 Millionen Mark Produktionskosten) Tränen in den Augen, als der Uralt-Ufa­Star ist weltberühmtes Lied sang: „Schöner Gigolo, armer Gigolo“.

DAS SUPERHIRN

Film des Monats im Emelka
Die Aufführungen innerhalb dieses Zy­klus sind in der Hauptsache für ein ju­gendliches Publikum gedacht. Entspre­chend ist die Auswahl der gezeigten Filme und die Eintrittspreise.
Im September gibt es eine Kriminal­komödie aus Frankreich:
Angst über der Stadt / 14. September 1978 mit Jean Paul Belmondo.
Farbe, ab 16 Jahre.
Tempo, Witz, raffinierte Spannung und Gags — ein Leckerbissen für Freunde und Liebhaber des Aktionsfilms!
Eintritt: 3,— DM, Beginn: 20.00 Uhr. js

TROTZ

„Eine entheiratete Frau von P. Mazursky“ Ibsens „Nora“ 1978, mit verändertem Vorzeichen
Die wirklichen Probleme unserer weibli­chen Lebensgefährtinnen wurden da un­liebsam, bekanntlich sehr, sehr lange zu Unrecht als sekundär abgetan und damit schleunigst unter den Tisch gekehrt. In den letzten Jahren hat sich darin zwei­felsohne durch die „Emanzipationswelle“ einiges geändert. Ja, sie hat ihr Gutes ge­habt, obwohl im „Eifer des Gefechts“ manches wohl zu krass gesehen wurde ... Wie dem auch sei, heute steht „die Frau“ auch im Film „ihren Mann“; d. h., ihre Probleme werden erstgenommen (ob­gleich dies meistens von Männern getan wird, siehe z. B. W. Allens „Stadtnburo­tiker“). Durch das einfühlsame Zusam­menwirken von Regisseur und Schauspie­lerinnen entstanden „Kunstwerke“ ä la „Julia“ (J. Fonda), „Am Wendepunkt“ (S. McLaine, A. Bancroft) und „Auf der Suche nach Mr. Goodbar“ (D. Keaton). In die Gilde der sogenannten „Frauen- Filme“ schließt jetzt „Eine entheiratete Frau“ auf. Unter der Regie von P. Ma­zursky spielt die sehr aparte J. Clay­burgh die Hauptrolle.
Der nicht nur nachdenklich stimmende, sondern durchaus unterhaltsame Film erzählt die Geschichte einer 37jährigen Frau. Erica, so ihr Name, wird nach 16 harmonischen Ehejahren von ihrem Ehe­mann wegen einer anderen verlassen. Trotz anfänglicher Kontaktschwierig­keiten — sie hatte es nie gelernt, alleine zu sein — tauchen Liebhaber auf. Mit ihnen tauchen auch die Fragen nach einem „neuen Anfang“ oder der Aufga­be, der inzwischen schwererrungenen, wiedergewonnenen 2. Freiheit auf.
Das ist keine Angelegenheit, die man kurz und bündig mit „schon wieder so’n Emanzipationskram“ abtun sollte, denn dafür ist die Thematik viel zu real, viel zu alltäglich und viel zu ernst.
Ergo: nicht den ganzen Abend zuhause vor der Flimmerkiste sitzen.
Starttermin: 22. September im Tivoli TH
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literatur

BLUSEN
UND DESSOUS

Gisela Elsner wird bei jeder ihrer Veröf­fentlichungen an den Beiträgen über „Die Riesenzwerge“ gemessen. Sie will weg von „den Zwergen“, hin zur deut­schen Normalität (literarisch), aber aus den Zwergen wurden längst Riesen. Trotz großer Anerkennung durch die Literaturkritik fand ihr letzter Roman, „Der Punktsieg“, nicht die ihm gebüh­rende Resonanz. Die Zwerge erwiesen sich wieder einmal als stärker.
Im Zentrum des Romans steht der mit­telständische Unternehmer Mechtel (unschwer als der fränkische Industriel­le Ph. Rosenthal zu erkennen). Mechtel macht in Textilien, seine Spezialität sind Blusen und Dessous für Damen.

Er hat den schlechten Geschmack, den Hang zum Luxuriösen, der sich auf’s Marottenhafte beschränkt und den re­publikanischen neureichen Mief für Kul­tiviertheit hält, wie man es vom deut­schen Mittelstand nur zu gut kennt. Mechtel als Unternehmer hält sich auch für eine Stütze der Gesellschaft (und für liberal). Deshalb schließt er sich einer SPD-Wählerinitiative an. Selbst als er bei leichter Wirtschaftskrise Arbeiterin­nen entläßt, hält er sich für keinen po­litischen Trittbrettfahrer; ganz im Ge­genteil, sein Handeln sei wirtschaftlich richtig und verantwortungsbewußt und überhaupt meint Mechtel: „Bei über einer Million Arbeitslosen, fallen mei­ne 30 Näherinnen kaum ins Gewicht“.

Gisela Elsner wurde am 2. Mai 1937 in Nürnberg geboren. In Wien studierte sie Philosophie, Germanistik und Theater­wissenschaft. Was Gisela Elsner im „Punktsieg“ wiedergibt, ist eine Ab­rechnung mit der „besseren Gesell­schaft“, deren Existenzangst und Not, in der ihr eigenen und dem Inhalt ange­messenen eiskalten und messerscharfen Sprache. Die Hauptakteure leben unper­sönlich, oberflächlich und sind authen­tisch und repräsentativ für diese Gesell­schaftsschicht und die dort gelebten Zustände. Diese Figuren aus der Mittelmäs­sigkeit sind oft voller Witz und Satire. Überhaupt schadet der satirische Cha­rakter, der dem „Punktsieg“ anhaftet, dem Roman. Man hat oft das Gefühl, Frau Elsner bewegt sich sehr oft in die­ser Gesellschaft. Deshalb tut sie nieman­dem weh und unter diesem „Nicht-weh­tun-wollen“ leidet der ganze Roman.

Ein Zola, Flaubert und Stendhal wäre nie auf die Satire ausgewichen, um in einem großen Gesellschaftsroman eine Oberschicht zu schonen, eine, die noch dazu sehr mächtig und einflußreich war.
Mechtel und Gisela Elsner haben eines gemeinsam: Sie haben sich in ein schlech­tes Gewissen hineingelebt. Aber es ist ih­nen so wohl dabei.
Was die Elsner dem Leser klar aufzeigt, ist die nicht mehr gültige alte Vorstel­lungswelt der Sozialisten, Kommunisten und sonstigen linken „Isten“. Der Kapi­talist unserer Tage ist ein anderer. Er schwärmt von Liberalität, ist in Bürger­initiativen, unterstützt Minderheiten, hat sich eine hohe Ethik zugelegt und er ist trotz allem geschäftstüchtig.

Beim „Punktsieg“ von Gisela Elsner liegt die Erkenntnis über eine Oberschicht, die nur Mittelmaß hat, klar vor. Sie ist benutzbar, abhängig von den Großen aus Wirtschaft und Politik. Deshalb pak­tieren sie mit allen und jedem, gehen je­dem Widerstand aus dem Weg und sind die größten Mitläufer unseres Systems. Nur so glauben diese „Riesenzwerge“
zu überleben.
Gisela Elsner:
Der Punktsieg
Rowolf-Verlag, Reinbeck bei Hamburg 188 Seiten, 26,— DM        JS

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musik

DER ABSCHAUM DER
SÜDSTAATEN

Schönes Wetter, Urlaubs- und Badezeit, mit einem Wort Sommer , bedeutet im Plattengeschäft meistens eine mehr oder weniger starke Flaute, nicht nur was den Umsatz, sondern auch was die Neuerscheinungen betrifft . In dieser Zeit ist es demzufolge gar nicht so einfach, aus dem ohnehin schon recht spartanischen Angebot etwas Hörenswertes, etwas Neues herauszufischen. Daß es uns trotz­dem gelungen ist, verdanken wir der ame­rikanischen 5-Mann-Formation „Dixie Dregs“ und ihrer sehr bezugsreich be­titelten LP „What if      „ (bezugsreich insofern, denn „was wäre, wenn“ diese Platte nicht veröffentlicht worden wäre?)

„Der Abschaum der Südstaaten“ (so der übersetzte Name), bestehend aus Andy West-Bass, Mark Parrish-Keyboards, Rod Morgenstein-Drums, Vocals, Steve Morse-Electric, Classic, Synthesizer-Gui­tar, Allen Sloan-Strings, dürfte bei uns zu Lande eine noch relativ unbekannte
Gruppe sein. Ihr ausgezeichneter Auftritt am Schlußabend des diesjährigen „Mon­treux-Jazzfestivals“ zeigte jedoch, daß sie auf dem europäischen Kontinent schnell Anhänger finden werden.

Von dem Wort „Dixie“ voreilig auf den Stil der Band zu schließen, wäre falsch, bezeichnen sie selbst ihre Musik doch als „Avantgarde-Country-Jazzrock“. Unter diesem bislang selten gebräuchli­chen Namen kann man sich entweder nur sehr wenig oder auch sehr viel vor­stellen. Des Vergleichs zuliebe und um sich ein etwas anschaulicheres „Hörbild“ zu machen, sind sie vielleicht als eine Mischung aus „Kansas, Curved Air (Darryl Way’s Wolf) und Brand X“ zu bezeichnen. Aus der Konstellation die­ser Gruppen gehen folgende zwei wesent­lichen Faktoren hervor: primär instru­mental, sowie sehr auf das Spiel von (Violine) A. Sloan ausgerichtet; obgleich ein Löwenanteil der Stücke vom Gitarristen S. Morse geschrieben wurde. Durchaus bekannte Musiker wurden vorhin als Vergleich angeführt, was die „Dregs“ allerdings nicht hindert, sich nicht wirklich 100 %ig auf einen der somit indirekt angeführten Stilarten zu verlegen. 

Es ist so schon beinahe eine neue Art von Musik, oder zumindest ei­ne bislang nicht gehörte Verschmelzung bereits populärer Formen. Die allen Musikern angediehene abgeschlossene klassische Ausbildung zeigt sich im Titel „Little kids“; funky Jazz in „Ice Cakes“ (fälschlicherweise auf der Hülle als ein­ziges Stück mit Gesang vermerkt); und einen schönen „Jig“ (altirische Tanz/ Musikform) gibt es in „Gina Lola Braekdown“.

Fazit: Sicherlich keine Platte, die gleich beim 1. Hören „in’s Ohr“ geht; sie ist es aber unserer Meinung nach vielleicht gerade deshalb wirklich wert, besonders berück­sichtigt zu werdenThomas Hammerl

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Interview mit Stan Webb

"Das klingt recht hart"

Stan Webb, Gitarrist und Sänger der englischen Rhythm and Bluesrock-Forma­tion „Chicken Shack“ war Anfang Juli mit seiner Band auf dem Rockfestival ‚78 in Gersthofen zu Gast. LUEGINSLAND nimmt dies zum An­laß, separat über jenen sympatischen Musiker zu berichten.

Mr. Webb arbeitet seit nunmehr 11 Jah­ren in einem sehr harten Geschäft, mit dem Namen „Musikbranche“. Gerade in diesem Zweig des Kulturbetriebes ist das Wort „Konkurrenzkampf“ sehr groß geschrieben, denn nicht nur die Firmen achten mit Argusaugen auf die erforder-
lichen Verkaufszahlen, es rücken auch laufend neue Musiker nach und jeder will auf irgendeine Weise seine Schäf­chen ins Trockene bringen. Das Sprich­wort „Ausnahmen bestätigen die Re­gel“, trifft hier, wo die meisten aus­schließlich darauf aus sind, am anderen zu verdienen, nur selten zu; daß es dennoch seine Berechtigung hat, zeigt sich, wenn man unter den Hundertschaften von Stars und solchen, die sich dafür halten, jemanden kennenlernt, der noch natürlich, noch Mensch ist.

LUEGINSLAND:
Stan, auf den älteren „Chicken Shack“­Alben, wie z. B. „Poor boy“ oder „Unlucky boy“, zeichnest Du für ei­nen Großteil der Kompositionen als Alleinautor. Wie verhält es sich auf dem letzten Album „The Creeper“?

Stan Webb:
In Robbie Blunt (Gitarre, Gesang) und Dave Winthrop (Saxophon) habe ich zwei Musiker gefunden, mit denen ich sehr gut harmoniere; d. h. die Stücke ent­stehen hauptsächlich aus dieser Zusam­menarbeit. Komponieren bedeutet für mich persönlich eine Umsetzung der Erlebnisse oder Erkenntnisse, die ich im Rahmen der zwischenmenschlichen Beziehung gewonnen habe, in Musik und Text.

LUEGINSLAND: 
Umreißt man Deine musikalische Lauf­bahn kurz, dann liest sie sich wie folgt: 1967 Gründung von Chicken Shack u. a. mit Christine McVie-Gesang, Klavier (seit 69/70) bei Fleetwood Mac)
1971 Umformierung der Gruppe in eine 3 - 4 Mann Formation
1974 Auflösung der bestehenden Band und Einstieg bei „Savoy Brown“ (Boogie Brothers); kurz danach wird „Broken Glass“ in’s Leben gerufen (hier ist R. Blunt erstmalig mit von der Partie)
197 7 Neugründung von Chicken Shack in der bestehenden Besetzung; alles in allem sind das zusammen 11 Jahre mu­sikalischer Tätigkeit. Worauf führst Du es zurück, daß Dir bisher der ganz große Erfolg versagt geblieben ist?“

Stan Webb:
Warum ich nach 11 Jahren immer noch nicht auf der ersten Sprosse der Erfolgs­leiter stehe, läßt sich vielleicht mit fol­genden zwei Dingen erklären. Ähnlich Eric Clapton, den ich im übrigen sehr schätze und bewundere, habe ich in der ganzen Zeit nie mein eigenes Konzept verleugnet (im Gegensatz z. B. zu Fleet­wood Mac, die sich von der Blues zur er­folgreichen „easy-listening“ Pop-Band veränderten) — oder um ein anderes Bei­spiel zu nennen, könntet Ihr Euch uns im Make-up vorstellen ...? Außerdem bin ich wie die anderen nicht nur des Jobs wegen dabei, uns macht es halt auch einfach Spaß zu spielen. Zwei­felsohne spielt hier auch meine Lebens­philosophie eine Rolle, denn ich finde es wichtig, daß man seine Vorstellungen versucht zu verwirklichen, anstatt sie z. B. aus kommerziellen Gründen abzu­ändern, oder gar ganz zu verleugnen. Das klingt recht hart und ist bei konsequen­ter Durchführung nicht einfach, aber was mich betrifft, ich fühle mich dabei wirklich glücklicher. (Dave Winthrop setzt sich zu uns).

D. Winthrop:
Bist du erst mal 5 - 10 Jahre dabei, ohne an das große Geld gekommen zu sein, dann machst du eben immer noch wei­ter, weil es Spaß macht, oder du hörst schon früher auf!

LUEGI NSLAND:
Welche Rolle spielt für Euch das Publi­kum?

Stan Webb:
Nun, mir bedeutet es alles, wenn die Leu­te, die dafür gezahlt haben „Uns“ zu se­hen und zu hören, begeistert mitgehen, klatschen und ich merke, daß das, was. ich vermitteln will, auf irgendeine Weise verstanden wird.

LUEGINSLAND:
Stan, entgegen einem Großteil deiner Mu­sikerkollegen hältst Du anscheinend gar nichts von jenem großen Distanzverhält­nis zwischen dem Publikum da unten und den „Stars“ dort ober auf der Büh­ne; du begibst Dich mit Deinem Gitar­renkabel direkt unter die Zuschauer, um
dort weiterzuspielen.

Stan Webb:
Ja, das ist richtig. Ich halte wirklich nichts von diesem „Stargehabe“ etc.
Ich bin schließlich auch nur ein Mensch, warum sollte ich mich denn auf Grund meines Berufs gegenüber meinem Mit­menschen anders verhalten!?

LUEGINSLAND:
Wir haben indirekt schon vorhin darüber gesprochen. Uns würde es noch interes­sieren, woraus nimmst Du für Deine manchmal nicht leichte Tätigkeit die Kraft?

Stan Webb:
Daß Ihr das ansprecht, freut mich, denn es handelt sich hier um eine Person, die immer außerhalb des Scheinwerferlichts steht, mir es allerdings sehr viel Kraft gibt, all das zu tun — es ist meine zu­künftige Frau, die ich im August heira­ten werde!

LUEGINSLAND:
Wir danken Euch für das Gespräch und wünschen Dir, Stan und Deiner zukünfti­gen Frau alles Gute für die Zukunft.     Thomas Hammerl


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ZWISCHEN LANGEWEILE UND AERGER

Zum Jazz-Konzert mit dem Mal­-Waldron-Trio im Jazz-House

Es gibt Jazz-Musiker, die sich ausge­sprochen solistisch begreifen, d. h. einen besonderen Stil kompositorisch und interpretatorisch geprägt haben. Und es gibt Jazz-Musiker, die das Solospiel als ein Stil-Element des Jazz begrei­fen, den Anspruch aber, der damit un­ter Umständen verbunden ist, nämlich stilprägend zu sein, nicht erheben. Mal Waldron gehört seit Anfang der 60iger Jahre zur ersten Kategorie. Er kompo­niert und phrasiert seit Jahren mit eigenster Note. Ob nun das, was Mal Waldron spielt, „Telegraphen-Stil“ ist oder nicht, ist weniger interessant als die Tatsache, daß er sich selbst nur dann entwickeln kann, wenn seine Be­gleitmusiker einiges dazu tun: seine Themen aufnehmen, intelligent verar­beiten und nicht gläubig auf den „Mei­ster“ warten.

Und deshalb geht es halt nicht, wenn beispielsweise Bobby Elgard (Drums), wie bei diesem Auftritt, ohne Gehör und Sinn für Zusammenhänge seine Extras produziert. Ein jämmerlich ge­stimmtes Piano (Marke „Spilunke“), das besser in den Lagerraum eines no­stalgischen Antiquitätenhändlers ge­hörte, ohne das unbedingt nötige Klang­volumen auch nur annähernd erbringen zu können, plätschernd im Hintergrund, verführte wohl zu solchen verspielt-soli­stischen Lieblosigkeiten. Rocky Knauer (Bass) nahm seine Sache ernster; wo aber ein Wille ist, da ist nicht immer schon ein Ziel. Er hatte noch keine „great big ears“ wie Isla Eckinger (Kommentar von Mal Waldron zu seinem früheren Mitspie­ler), aber wenigstens spielte Knauer mit Mals Intentionen und dann auch mal ge­gen ihn — auf jeden Fall nicht so beschä­mend spröde und egozentrisch an ihm vorbei wie Elgard.

Die langsamen Stücke, zum Beispiel „Baladiono“ (by Mal Waldron, gerie­ten beiden Begleitern zur Filmmusik. Elgards Besengefummel war die reinste Pflichtübung — und so klang es denn auch. „Sieg Haile“ beendete das zweite Set — und meine Lust, weiter zuzuhören. „Dont’t forget that the definition of music ist organised sound“, meinte einst Mal Waldron in einem Statment auf der Rückseite des 1969 eingespielten Al­bums „Free at Last“ (ECM - 1001 ST). Realy, dont forget it!      Arthkur Müller 


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Hochschul News

OEFFENTLICH
ODER NICHTOEFFENTLICH

Der Fachbereich Gestaltung der Augs­burger Fachhochschule (ehemalige Werkkunstschule) veranstaltete vor kurzem eine 3tägige Ausstellung mit Abschlußarbeiten graduierter Designer (Display-, Grafik-, Muster- und Objekt­design).

Die Ausstellung, die seit Jahren am Schluß des Sommersemesters in den Räumen der Fachhochschule (Maximi­lianstraße) stattfindet, war Gegenstand eines Gesprächs mit dem Dekan des Fachbereichs Gestaltung, Fachhoch­schullehrer Gottfried Moosdorf.

LUEGINSLAND:
Herr Moosdorf, es ist gelegentlich Kritik an dieser Ausstellung geübt worden. So bedauert man die nur 3tägige Ausstel­lungsdauer und die Unmöglichkeit, in den beengten Räumen repräsentativ aus­stellen zu können.

Moosdorf:
Es handelt sich um eine Ausstellung mit Abschlußarbeiten. Diese Abschlußarbei­ten dienen gleichzeitig den Studenten als Bewerbungsunterlagen. Wir von der Fachhochschule haben deshalb größtes Interesse, wenn die Arbeiten der Studen­ten, die oft hunderte von Mark gekostet
haben, wieder in die Hände der Studen­ten kommen. Bei der gegenwärtigen Kon­junkturlage ist das Bedürfnis nach Pu­blik-Relation der Fachhochschule sekun­där im Verhältnis zum Unterkommen unserer graduierten Designer.

LUEGINSLAND:
Nun hätte man ja auch andere Arbeiten hinzunehmen können, um so ein reprä­sentatives Angebot schaffen zu können, das der breiten Öffentlichkeit einen Ein­blick in die Arbeitsweise des Designers gibt.

Moosdorf:
Wir wollten ein Angebot für ein diffe­renziertes Publikum schaffen 

a) als Stu­dieninformation für den Nachwuchs (Studenten, die vor der Eignungsprüfung stehen — an Fachhochschulen können wie an Kunst- und Musikhochschulen junge Talente auch ohne höhere Schul­bildung in Form einer Eignungsprüfung aufgenommen werden), für Fachoberschulabsolventen, die sich für das Fach Gestaltung interessieren, für unsere Ge­staltungsstudenten, die sich ja nach dem zweiten Semester, hier folgt eine Art Zwischenprüfung, eine spezielle Grafik- Richtung laut Studienordnung wählen müssen.

b) als spezielle Öffentlichkeitsinforma­tion für Unternehmer (Verleger, Archi­tekten), also die späteren Anstellungs­träger für graduierte Designer, für Freun­de und Eltern der Studierenden. An eine allgemeine Öffentlichkeitsarbeit war also in diesem Zusammenhang nicht gedacht worden. Wir sind also eine traditionelle Augsburger Einrichtung auch nicht an einer derartigen Selbstdarstellung inter­essiert.

LUEGINSLAND:
Im Gegensatz dazu scheint man an der Würzburger Fachhochschule an einer breiten Öffentlichkeit interessiert zu sein. Die Würzburger stellten ihre Arbei­ten ganze 4 Wochen in einem großzügi­gen hochschulexternen Ausstellungs­raum aus?

Moosdorf:

Richtig. Nur: Es handelt sich um eine Werkstatt-Ausstellung mit laufenden Ar­beiten und nicht um aktuelle Abschluß- arbeiten. Wir präsentieren das Ende einer Entwicklung, die Würzburger sich und eine Entwicklung. Wir schließen eine solche Ausstellungsform allerdings nicht aus. Allerdings sind wir durch den allgemeinen Prüfungsstreß ziemlich überlastet. Ende des Jahres wird übri­gens in der Treppenhausgalerie Kröll & Nill eine Ausstellung von Studenten der Fachhochschule stattfinden. Unter dem Titel „Augsburger Design-Studenten stellen sich vor“ werden angewandte und freie Grafik, Illustrationen, Typo­grafieren und anderes gezeigt werden. Arthur Müller-Doldi 


FOLGE NUR DEM
WAS HARMONIE ERZEUGT

GRUPPEN, VEREINE, INITIATIVEN: DIE BAHA’I RELIGION

Seit sich Menschen immer fremder werden, gibt es Organisationen in denen sie sich verbinden und das verlorene Gefühl der Einheit finden wol­len. Mit Hilfe von ausgerichteten Gedanken an etwas Übersinnliches — die meisten nennen es Gott — arbeiten die Suchenden an einer Brücke zu ei­ner Geistigkeit, die alles Unvollkommene in sich aufnimmt und zu Einheit auslöst. 

Als Plattform dazu kann die Organisation und als Treibstoff der mystische Gehalt in den Religionen betrachtet werden. Jedem bleibt es überlassen, ob es sich als geistiger Brückenbauer versteht, oder ob sein gan­zer Drang nur dem materiellen Hausbau gilt. Die Baha’i fühlen sich als gei­stige Brückenbauer, die über den Fluß der Unverständnis zu den Ufern der Verständnis eine Brücke schlagen wollen. Bab wurde in Tabriz hingerichtet Der 25-jährige Kaufmann Mirza’Ali Muhammad aus Shiraz in Persien, gab sich 1944 den Namen Bab. Auf Deutsch: das Tor, und zwar für den den Gott noch offenbaren würde und der größer als er selbst sei.

Offensichtlich war dem persischen Staat und den etablierten islamischen Reli­gionsverbänden dieser Bab schon zu groß und mächtig; denn man warf ihn in den Kerker, legte ihn in Ketten und richtete ihn 1850 in Tabriz hin. „Etwa zwei Stunden vor Mittag wurden Bab und ein Anhänger mit Stricken unter den Armen derart aufgehängt, daß das Haupt des Bab-Anhängers an der Brust seines geliebten Meisters ruhte. Eine Ab­teilung armenischer Soldaten zog auf und erhielt den Befehl zu feuern. Als­bald krachte die Salve. Aber als sich der Rauch verzog, fand man den Bab und seinen Glaubensgefährten noch am Le­ben. Die Kugeln hatten nur die Seile zer­rissen.“ Ein anderes Regiment mußte antreten und die Salve hatte den gewün­schten tödlichen Erfolg.

Wundervolle Weisheit und Erkenntnis Der älteste Sohn eines Wesirs — er hieß Mirza Husayn’Ali — war geradezu be­stimmt, die Verheißung des Bab zu er­füllen, daß ein noch Größerer als er selbst kommen werde. Er nahm die Leh­ren Bab’s an und wurde bald ihr mäch­tigster und furchtlosester Vertreter. Der mißglückte Versuch eines Bab-Anhän­gers den Tod seines Meisters zu rächen, richtete großes Unheil an.
Schreckliche Metzeleien unter den Baha’is begannen. Der Verheißene kam ins Gefängnis worüber er schrieb: „Kei­ne Feder kann diesen Ort beschreiben, keine Zunge seinen wiederlichen Ge­stank schildern. Die meisten Menschen hatten weder Kleider, noch Stroh, um darauf zu liegen.“

Nach Jahren der Unruhe eröffnet der verfolgte Glaubensführer seinen Glau­bensgenossen im Garten Ritvan zu Bag­dad, daß „er der Eine sei, dessen Kom­men Bab vorausgesagt habe, der erwähl­te Gottes, der verheißene aller Prophe­ten.“

Zum Festraum und Betsaal umfunktio­niert

Augsburg, Neidhartstraße 9. 134 Jahre sind vergangen. In der Welt hat die Baha’i-Religion Anklang gefunden und überall sind deren Vertreter. Die Augs­burger Baha’i Gemeinde zählt neun Mit­glieder. Darunter Menschen verschiede­ner Nationalität: Perser, Amerikaner und Deutsche. Von Beruf Mechaniker, Teppichhändler, Redakteur, Mutter, Ingenieur und Soldat. Für sie ist es selbstverständlich, daß in dem als Fest­raum oder Betsaal umfunktionierten Wohnzimmer der Familie Krieger frem­de Sprachen gesprochen werden und Be­sucher anderer Hautfarbe sind. Heute soll das Ritvan-Fest zu Ehren ihren Propheten Bahulla, so von sich selbst benannt, gefeiert werden.

Jedes Jahr findet das freudige Fest statt zur Erinnerung an den Tag
(3. Mai 1863) als „Baha’u’llah ver­schiedener seiner Gefährten die frohe Botschaft kundtat, daß er der eine sei, dessen Kommen der Bab vorausgesagt habe.“ Eine gläubige Runde aus jung und alt, Männer und Frauen, hat sich bei der Familie Krieger eingefunden. Selbst Kinder aus der Nachbarschaft, denen es gut gefällt wenn etwas los ist, sind dabei. Eine persische Familie wird uns vorgestellt, eine Gruppe
Gleichgesinnter aus Landsberg und Mün­chen sind angereist. Gern geübte Tradi­tion ist es, sich am Ridvan-Fest gegen­seitig Besuche abzustatten. 

Ein kleines Programm wurde vorbereitet. Kin­der sitzen im Kreis am Boden und eine kleine, zweiteilige Inszenierung kann beginnen. Ausgelassen und lachend kämpfen sie um eine Kupferschüssel, symbolisch gefüllt mit Essen. Alle ver­suchen, die Schüssel an sich zu reißen. Letztenendes hat jedes Kind statt dem Essen nur den Schüsselrand in der Hand, an dem es zieht. Das Gesche­hen wandelt sich. Frau Krieger, die „Regie“ führt, gibt ein Zeichen und die Kinder beenden ihre erfolglose Raufereien. Jetzt dürfen die Kleinen der Reihe nach ungestört, ebenfalls symbolisch, aus der Schüssel löffeln. Für den Zu­schauer so gemeint: Wenn man nur auf sich bedacht ist, gibt es Zank und Streit, und jeder steht mit leeren Händen da. Gesteht man aber jedem Mitmenschen einen Teil zu, könnte man in Frieden und Einigkeit zusammenleben. Aufgeregt blättern die zum Vorbeten Ausgewählten in ihren Gebetbüchern.

Ohne Scheu vor Pathos, darf jeder die Worte Baha’u’llahs und seines Sohnes Abbas Effendi eindringlich vortragen. In gedehnten Tönen singt ein schwarzes Ehepaar Baha‚i-Gospels. Herzlich wird applaudiert. Stimmung ist aufgekom­men. Im Bücherzimmer nebenan wartet ein kaltes Büffet. Bei Salat und Apfel­saft unterhält man sich angeregt über das Leben als Baha’i. Über Einstieg, Probleme, gemachte und ungemachte Erfahrungen als Gottessucher.

Nur weil er kein Baha’i ist

Wesentliches Prinzip der Religion aus Persien ist der Abbau von Vorurteilen aller Art. Ein Leben ohne hindernde Klischees.
„Alle Vorurteile, mögen sie solche der Religion, der Rasse, der Politik oder der Nation sein, müssen fallen“, verkündet der Nationale Rat der Baha’i aus Hof­heim-Langenhain. Wer einem Baha’i-Fest als Fremder bei­wohnt, kann durch nüchterne, aber doch warme Freundlichkeit erfühlen und erahnen, daß es für sie keinen Aus­gestoßenen gibt nur weil er kein Baha’i ist.

Keine Priester

„Seine Sendung (Baha’u’llah) ist, zu ver­künden, daß die Zeiten der Kindheit und Unreife des Menschengeschlechtes vorüber sind, da die Erschütterungen der heutigen Menschheit langsam und schmerzvoll die Stufe der Reife vorbe­reiten und des Nahen jener Zeit der Zei‑
ten ankünden, da die Schwerter in Pflug­scharen umgewandelt werden, das von Jesus Christus verheißende Reich begründet und der Friede auf diesem Planeten endgültig und dauernd gesi­chert sein wird“, verkündet der Enkel Bah’u’llahs, Shogi Effendi, in dem Buch „Der verheißene Tag ist gekommen“. 

Um zu diesem Ziel schneller emporstei­gen zu können, haben die Baha’i den nö­tigen Ballast dazu abgeschmissen. Prie­ster sind in ihren Augen unnötig, Mön­che wollen sie nicht. Ihre Oberhäupter, die „Geistigen Räte“ wählen sie selbst. Großen Wert legen die Baha’i auf die Schaffung einer Universalsprache. So wäre es für eine Weltregierung, die die Baha’i anstreben, nicht weiter schwie­rig, trotz Abgeordneter aus allen Län­dern sich mit einer Sprache zu verstän­digen. Geliebäugelt wird deswegen mit Esperanto.

Tod ist dabei nichts trauriges

Ihr Leben ist für die Baha’i empbrynales Stadium auf dem schmerzvollen Weg zur Reife, auf dem sie positive geistige Fä­higkeiten, so: Güte, Freundlichkeit, Mut und Standhaftigkeit für die nächste Sta­tion nach dem Tode lernen und ent­wickeln sollen. Der Tod ist für sie nichts trauriges, er ist Neugeburt. Der Baha’i widmet sich ganz nach eigenem Gusto dem Studium der Schriften Baha‚u’llahs. Ein Reiches Arsenal an Gebeten steht ihm für den täglichen Gebrauch zur Ver­fügung. Drei Minuten sollte ihm das kleinste Gebet wenigstens wert sein. Ein Baha’i meidet den Alkohol nicht. Mei­den muß man nur, was man fürchtet und nicht versteht.

Da Gott für den Baha’i wesentlich Ver­nunft ist, wird an die Vernunft appel­liert und auf Übereinstimmung mit mo­derner Wissenschaft größten Wert gelegt. Arbeit ist für sie eine Form des Gebetes. Man könnte fast meinen, daß diese Men­schen ihren Tag in geistiger Abwesenheit verbringen oder schlecht aufgelegt sind, weil sie immer an sich und ihren Fehlern zu arbeiten haben. Genau das Gegenteil ist der Fall. Frau Krieger, die Baha.I aus der Neidhartstraße: „Als Baha’i habe ich fast die Pflicht, glücklich und dankbar zu sein und nicht auf das Glück im Jen­seits zu warten. Seit ich Baha’i bin , (Sieben Jahre) fällt es mir leichter, Menschen kennenzulernen und mit ihnen zu reden.“

Im Bundestag Staub aufwirbeln

Auf dem 40. Jahrestreffen, 1976, des Weltkongresses der Religionen, wurde die Baha’i-Religion als sechste Weltreli­gion anerkannt. Sie sehen sich als Reli­gion der Zukunft, als universale Reli­gion. Jesus, Buddha, Mohammed und andere Glaubensstifter wurden in ihre Religion integriert. Kein Sammelsurium verschiedenster Glaubensideen, sondern eine Auswahl nur vom Besten jeder Reli­gion. Sie gehören nicht zu den neuen umstrittenen Sekten, die bis hinein in den Bundestag Staub aufwirbeln. Wir­bel gab es bei ihnen nur, als sie ihren Tempel genau nach der Vorschrift des Baha’u’llah „Der Muttertempel muß neun Seiten und Tore, dazu Brunnen, Wege und Pforten, Säulen und Gärten haben, mit Erdgeschoß, Galerien und Kuppel, und im Entwurf und Ausfüh­rung muß er herrlich sein“ auf dem Taunus errichten wollten. Kein Wun­der, daß es Ärger mit den deutschen Baubehörden gab.

Leo Tolstoi interessierte sich sehr für diesen jungen Glauben. Briefe mit sei­nen Ansichten darüber wechselte er mit Rainer Maria Rilke. In Südamerika ist der Baha’i-Missionsarbeit großer Erfolg beschieden. Dort sind sie auf dem Wege Religion der Armen zu werden. Warum in West-Europa diese Bewegung noch so unbekannt ist, liegt wohl daran, daß sie durch ihren fehlenden Fanatismus und Radikalität nicht im Zwielicht auf­taucht . . . Zwielicht, das andere Sekten mit Wunderdingen (Es darf ge(f)logen werden?), rüden Betteleien (Moon, Krishna, und Jesus People) Waffen­schmuggel, Gehirnwäsche und Demago‑
gie ausstrahlen.

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